[gelesen] Vom Mond aus betrachtet, spielt das alles keine Rolle von Anne Freytag

Rezensionsexemplar

© one

Vom Mond aus betrachtet, spielt das alles keine Rolle

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Anne Freytag
erschienen im September 2023
432 Seiten
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hier geht’s zum Verlag
one/ Bastei Lübbe
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wichtige Gedanken, konnte mich trotzdem nicht fesseln

Wäre Sallys Leben ein Film, würde sie darin ganz sicher nicht die Hauptrolle spielen. Sie wäre eher der Sidekick – die Tochter, die keine Probleme macht, die Schwester, die Konflikte scheut, die Freundin, die ihre Meinung für sich behält. Sally mag diese Rolle nicht, dennoch füllt sie sie aus. Bis die ein paar Jahre ältere Leni bei ihnen einzieht und das Gefüge durcheinanderbringt. In ihrer Gegenwart fühlt Sally sich zum ersten Mal irgendwie echt. Und ist deswegen mehr hin- und hergerissen denn je. Zwischen dem, was von außen betrachtet richtig zu sein scheint, und dem, was sich in ihrem Inneren gut anfühlt. Ist der Moment gekommen, endlich die Protagonistin ihrer eigenen Geschichte zu werden? © Klappentext: one

Ich hatte ein wenig Schwierigkeiten, in die Geschichte hineinzufinden. Die Informationen, zum Beispiel über die Familienzusammensetzung oder das Alter der Figuren, kommen sehr spärlich, sodass zunächst gar nicht klar ist, wie die Charaktere zueinander in Verbindung stehen.

Zudem war mir Sallys Mutter Marianne von Beginn an unsympathisch. Sie hat mich mit ihrem widersprüchlichen Verhalten immer wieder auf die Palme gebracht. Der Umgang zwischen Mutter und Kindern ist sehr kühl geschildert – was aber natürlich auch der Ich-Perspektive von Sally geschuldet sein mag, die keinerlei Blick in die Gewühlswelt der Mutter ermöglicht. So oder so kann ich ihr Verhalten in vielen Momenten absolut nicht nachvollziehen.

Der Wandel, der im Klappentext angedeutet wird, lässt sehr lange auf sich warten. Sally macht sich viele Gedanken darüber, wer sie ist und wer sie sein will. Sie ist unzufrieden mit vielen Situationen, traut sich aber nicht, Veränderungen in Gang zu bringen. Gedanklich dreht sie sich häufig im Kreis, zerdenkt immer ähnliche Probleme. Und dann bringt auch noch die neue Mitbewohnerin Leni Sallys Gefühlswelt durcheinander, weshalb Sally noch mehr Stoff zum Überdenken hat.
Die Erkenntnisse, die Sally letztlich gewinnt, sind super beschrieben, sehr passend und bringen manch wichtige Botschaft mit sich.

Richtig gut gefallen hat mir die Corona-Atmosphäre. Wann liest man schon mal ein Buch, das ein Ereignis beschreibt, von dem jede/r sagen kann: Ich war dabei. Ich kann das ganz genau nachempfinden. Wie komisch es ist, nach tagelanger Isolation plötzlich auf Menschen zu treffen. Sie man zuhause auf- und umräumt. Wie einem die Decke auf dem Kopf fällt und die Situation, die sich anfangs anfühlt wie das Setting einer Fernseh-Dystopie, immer mehr an die Substanz geht.

Der Handlungsverlauf ist sehr ruhig – sieht man mal von den ständigen lauten Meinungsverschiedenheiten ab. Einerseits passt diese Ereignislosigkeit natürlich perfekt zur beschriebenen Zeit, andererseits passiert mir insgesamt aber zu wenig. Zwar fand ich das Buch nicht direkt langweilig, fesseln konnte mich die Geschichte aber auch nicht.

Eine Besonderheit an diesem Buch ist der Epilog. So was habe ich bisher noch nicht gelesen und fand ich wirklich klasse – mehr wird aber nicht verraten.

Fazit

Die Geschichte spielt während der Corona-Zeit, die sehr passend beschrieben ist, sodass man sich problemlos zurückfühlen kann. Nach einem ruhigen Handlungsverlauf mit jeder Menge Familienproblemen gewinnt Sally, die sich viel mir sich selbst auseinandersetzt, letztlich wichtige Erkenntnisse. Dennoch hat mich das Buch nicht so richtig packen können. Marianne hat mich extrem angestrengt. Ansonsten passiert mir irgendwie zu wenig, während Sally immer wieder ähnliche Gedanken wälzt.

Ich danke dem Verlag für das bereitgestellte Rezensionsexemplar.

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