[gelesen] Wie ich dich sehe von Eric Lindstrom

Wie ich dich sehe

Autor: Eric Lindstrom
erschienen November 2016
Verlag: Carlsen
ISBN: 978-3-551-58347-5
© Carlsen
gefühlvolle, bewegende Geschichte

Infolge eines Unfalls ist Parker erblindet. Die inzwischen
16-jährige findet sich gut in ihrem Leben zurecht – bis zu dem Tag, an dem ihr Vater
stirbt. Dass dann auch noch ihr Ex-Freund auf ihre Schule kommt, bringt Parker
völlig aus dem Konzept. Zeit, die eigenen Regeln neu zu überdenken…
Dies war für mich das zweite (Carlsen) Buch mit einer
blinden Protagonistin. Im Gegensatz zu →Alles was ich sehe gibt es hier
allerdings keinerlei Fantasyanteil, was die Geschichte noch ein wenig
bewegender macht.
Zwar kann ich nicht einschätzen, wie realistisch das Leben
der blinden Parker dargestellt ist, die Beschreibungen lesen sich aber sehr
authentisch.
Parker musste sich ihre Welt auszählen, um sich
zurechtzufinden. Die kleinste bauliche Veränderung kann für sie zum Problem
werden. Sie hat einen völlig anderen Blick auf die Welt und die Menschen
entwickelt.
Daher regt die Handlung stark zum Nachdenken an: In wie
vielen Situationen verlassen wir uns nur auf unsere Augen. Wie aufgeschmissen
wären wir, wenn wir Ereignisse allein anhand von Geräuschen und Tonlagen
erfassen müssten.
So ist es verständlich, dass auch Parker oft ins Grübeln
gerät und zu zweifeln beginnt, was ihr Umfeld vielleicht vor ihr verbirgt oder
was sie einfach nicht mitbekommen kann.
Aufgrund der Ich-Perspektive ist der Leser sehr nah an ihren
Gedanken und Gefühlen. Parker lässt den Leser an ihrem Leben teilhaben – mit
all seinen Tücken, aber auch mit all den Glücksgefühlen, die sie erlebt, bei
Ereignissen, die für Sehende oft selbstverständlich sind. Nicht zuletzt dadurch
wird die Geschichte so berührend.
Ich habe viel unterwegs im Bus gelesen und
hatte dabei Probleme, den Reader wegzulegen und auszusteigen, weil ich so in
Parkers Welt gefangen war und weiterlesen wollte.
Die 16-jährige ist eine sehr starke Protagonistin. Sie geht
offen, ein wenig selbstironisch mit ihrer Behinderung um und hat ihren Weg
gefunden, wie sie trotzdem auf möglichst wenig im Leben verzichten muss. Sie
ist mutig und risikobereit, was von ihrem Umfeld teilweise als lebensmüde
aufgefasst wird, beim Lesen aber für besonders bewegende Momente sorgt. Und
gleichzeitig ist sie verletzt von Ereignissen aus der Vergangenheit und
leicht verletzlich, da sie sich unter der harten Schale, die sie nach außen
präsentieren möchte, viele Sorgen und Gedanken macht.
Dank Parkers angenehmen, flüssigen und bildhaften
Erzählstils fliegen die Seiten nur so dahin. Das Ende ist toll, doch auch recht
abrupt – ich hätte an dieser Stelle gern noch (ewig) weitergelesen…
Eine bewegende Geschichte über einen blinden Teenager, der sein Leben neu organisieren muss und dabei auch über sich selbst noch einiges
lernen kann. Parkers charmante, ironische Art sorgt für viele witzige Momente
in der ansonsten sehr gefühlvollen, berührenden Handlung.

 

Ich danke dem Carlsen-Verlag für das bereitgestellte Rezensionsexemplar.

9 Gedanken zu „[gelesen] Wie ich dich sehe von Eric Lindstrom“

  1. Oh wow, das Buch stelle ich mir recht spannend vor. Mein Horror als Leseratte ist es gelegentlich, wie es mir wohl ergeht, wenn ich blind werden würde. 🙁 Ich bewundere die Leute wie sie zurecht kommen und durchs Leben gehen. 🙂

    ♥liche Sonntagsgrüße

    Deine Lenchen

    1. Hallo Lenchen,
      das Problem des Lesens – Blindenschrift oder Hörbücher – wurde im Buch auch thematisiert. Noch faszinierender oder eher erschreckender fand ich allerdings, dass Parker kaum Musik hört. Was man so selbstverständlich täglich nebenbei macht, war für sie auch nicht möglich.
      Definitiv ein Buch, das nachwirkt.
      LG anja

  2. Hey Anja,

    ich finde solche Bücher auch immer sehr faszinierend und auch wenn ich es selber glücklicherweise nicht nachfühlen kann, bin ich immer total gefangen in den Geschichten und fühle regelrecht mit. 🙂

    Liebe Grüße,
    Ruby

  3. Huhu!

    Das Buch war schon auf meiner Wunschliste, weil es so vielversprechend klang – schön zu hören, dass es anscheinend auch einhält, was es verspricht. 🙂 Ich denke, das Buch werde ich auf jeden Fall noch lesen. Schöne Rezension!

    LG,
    Mikka

  4. Oh was sehe ich denn da? =)
    Das Buch ist kürzlich auch bei mir angezogen, weil ich von den Rezensionen so angetan war. Vielleicht schaffe ich es noch, es zu lesen, bevor der nächste Schwung neuer Bücher hier eintrudelt ^^.

    LG
    Anja

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