[gelesen] Plötzlich vertauscht von Stefanie Gerstenberger

Rezensionsexemplar

©Fischer KJB
Plötzlich vertauscht

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Stefanie Gerstenberger
erschienen Oktober 2022
ab 10 Jahren
400 Seiten
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Fischer Verlag
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magischer Körpertausch – nicht so lustig und mitnehmend wie erhofft

Für Isa und Anthony hätte es nicht blöder laufen können: in dem einen Moment verstecken sie sich einfach nur vor der gerade etwas nervigen Außenwelt und im nächsten stecken sie  auch schon im Körper des jeweils anderen. Keine Chance einfach wieder zurück zu tauchen. Sie müssen sich mit ihrem neuen Körper anfreunden, zumindest solange, bis sie einen Weg finden, es rückgängig zu machen. Das heißt auch, sie müssen versuchen, ihren Tausch nicht auffliegen zu lassen und sich in das Leben des jeweils anderen einpassen. Gleichzeitig bietet sich aber auch die Möglichkeit, den jeweils anderen und sich selbst besser kennenzulernen und das eine oder andere anzustoßen, was der andere sich vielleicht nicht traut oder auch gar nicht als veränderungswürdig empfunden hat.

Die Geschichte wird aus der personalen Sicht geschildert und begleitet Isa, 12, und Anthony, 13, die sehr unfreiwillig die Körper getaucht haben. Die beiden sind in der siebten Klasse und hatten bisher eher wenig miteinander zu tun. Entsprechend schlecht kennen sie sich und das Leben des jeweils anderen. Das müssen sie nun jedoch ändern, damit nicht sofort auffällt, dass sie nicht mehr sie selbst sind und nicht alles in komplettes Chaos gestürzt wird. Ganz so leicht ist es jedoch nicht, denn vorallem Anthony hat ein geheimes Hobby, das sich nicht über Nacht erlernen lässt. Anhand des Klappentextes hatte ich da vielleicht etwas zu hohe Erwartungen, was das sein würde, wenn man aber bedenkt, dass das Buch ab 10 Jahren ist, ist es schon okay und vermutlich doch verständlich, wieso Anthony es nicht gleich allen auf die Nase bindet, als er neu in die Klasse gekommen ist. Umso mehr man ihn kennenlernt, umso weniger scheint jedoch seine Clique zu ihm zu passen, in die er sich eingefügt hat.  Die Jungs sind gemein und schubsen kleinere und schwächere durch die Gegend. Durch Isas Wohnort neben dem Friedhof wird sie als freaky Friedhofsmädchen in der Klasse betitelt. Sie ist wissbegierig, fleißig, erfüllt immer ihre Hausaufgaben, lässt sich aber leider von Mitschülern auch gern mal ausnutzen, ohne es so richtig zu merken. Anthony arbeitet in der Schule nicht unbedingt so bereitwillig mit und auch Hausaufgaben sind jetzt nicht sein Spezialgebiet, vermutlich auch, weil er gar nicht immer Zeit dafür hat oder auch als kleiner Protest gegen den Druck zu Hause.

Der Schreibstil ist einfach verständlich gehalten, so dass auch junge Lesende der Handlung gut folgen können. Die Beschreibungen der Figuren und Schauplätze sind so gestaltet, dass man sich die Protagonisten und die wichtigsten Orte gut vorstellen kann. Immer wieder sind englische Wörter in den Text eingebaut, die die gesamte Geschichte von der Sprache sehr jugendlich wirken lassen. Mir war es ehrlich gesagt aber zu viel. Klar, ich bin keine zehn Jahre mehr alt und möglicherweise reden Heranwachsende heute tatsächlich so – auch wenn ich es nicht hoffe-  aber ich finde, man muss das jetzt auch nicht komplett so in Büchern übernehmen. Anthony stammt aus England, daher ist es schon irgendwie passend, dass er auch immer mal englische Ausdrücke nutzt, aber auch so fließen sie eben in den Text mit ein. Das ist aber sicher Geschmackssache, mir war es insgesamt einfach zu viel nice, easy, weird und Co. Die Art von Humor konnte bei mir jetzt auch nicht vollständig punkten, das ist sicher aber sehr individuell und andere werden bestimmt häufiger lachen können, als es bei mir der Fall war. Ich hatte es mir auf jeden Fall irgendwie witziger vorgestellt.
Anthony und Isa tauchen zwangsläufig in das Leben des anderen ein und bekommen tiefere Einblicke als bisher. Einige Dinge hätten sie sich so vermutlich nicht vorgestellt, manches erschreckt sie ein wenig, anderes überrascht sie auf positive Weise. Beide bemühen sich zwar nicht zu sehr am Leben des anderen rumzupfuschen, aber die eine oder andere Änderung im Verhalten gibt es dann doch. So ist „Isa“ jetzt deutlich offener und spricht auch mal aus, was sie denkt. Eine Sache, die sich die echte Isa nicht traut, Anthony in ihrem Körper aber schon. Und Anthony ist gar nicht mehr ständig so gemein und abweisend, auch zu seinem Bruder nicht. Beide betrachten das „fremde“ Verhalten ihres eigenen Ichs und ziehen den einen oder anderen Schluss daraus. Manches gefällt ihnen so eigentlich viel besser und sie haben sich nur selbst aus verschiedenen Gründen nicht getraut, so zu sein. Anderes gibt zumindest Denkanstöße, selbst wenn sie es nicht dauerhaft auf die gleiche Weise umsetzen wollen würden. Auch einander betrachten sie nun mit ganz anderen Augen und sie lernen sich in der Zeit immer weiter kennen. Ich hätte mir da eigentlich noch etwas mehr Tiefe gewünscht, vieles bleibt doch eher an der Oberfläche, auch wenn man spürt, dass die Protagonisten sich damit beschäftigen, wer sie sind, wer sie sein wollen, wie sie auf andere wirken und ob das eigentlich überhaupt wichtig ist, was das Umfeld denkt. Freundschaft, Vorurteile, Cliquenbildung und solche Dinge spielen im Buch eine Rolle, ebenso wie Familie und Erwartungsdruck.
Neben den persönlichen Entwicklungen der beiden gibt es da ja auch noch den Handlungsstrang rund um den Rücktausch der Körper. Anthony und Isa müssen versuchen, ihre Leben wieder zu erlangen, dabei gibt es einige Pannen und Pleiten, es gestaltet sich wirklich nicht besonders leicht, die nötigen Bedingungen herzustellen. Ganz so spannend, wie es hätte sein sollen, fand ich die Suche nach dem „Rückzauber“ jedoch nicht, auch wenn es hier und da ganz nette Aspekte gab. Ich empfand die Entwicklungen auf der persönlichen Ebene und welche Entscheidungen sie da so treffen insgesamt interessanter. Für junge Lesende wirken viele der Handlungselemente aber sicher noch mal lockerer, lustiger und mitnehmender, als es jetzt für mich der Fall war. Das Buch ist zwar nicht unbedingt langatmig, aber mir hat doch hier und da etwas Tempo gefehlt und vorallem eben die Tiefe. In einen so anderen Körper und damit in ein völlig anderes Leben einzutauchen, ich denke, da hätte man einfach noch mehr daraus machen können, wenn man nicht so ewig lang nach dem Gegenstand „gesucht“ hätte, den die beiden brauchten, um einen Rücktausch überhaupt zu ermöglichen. Ein anderer Fokus hätte mir einfach etwa besser gefallen.

Fazit

Eine im Jugendjargon erzählte, mit Slapstick-Humor versehene Geschichte rund um Isa und Anthony, die unfreiwillig ihre Körper tauschen und irgendwie im neuen Leben klar kommen müssen. Dabei müssen sie einander, aber auch sich selbst besser kennenlernen und sich mit verschiedenen Themen auseinandersetzen. Es sorgt bei beiden für mehr Offenheit und einen anderen Blick auch auf das eigene Leben. Hier und da gibt es schon nette Botschaften, es hätte für mich gern mehr in die Tiefe gehen können und weniger von dem Strang rund um die Rückwandlung bzw. das Schaffen der Bedingungen enthalten dürfen.

Ich danke dem Verlag für das bereitgestellte Rezensionsexemplar.

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