[gelesen] Nächte im Tunnel von Anna Woltz

Rezensionsexemplar

© Carlsen
Nächte im Tunnel
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Anna Woltz
erschienen im August 2022
224 Seiten
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Carlsen

Erwachsenwerden zwischen Kriegstrümmern

London 1940. Jede Nacht zwingt ein Bombenalarm die Bürger Londons in den U-Bahn-Schächten Zuflucht zu suchen. Jeden Morgen verlassen sie bang die Schächte und hoffen, dass das eigene Haus noch steht.
Das ist es, was auch die 14-jährige Ella und ihr kleiner Bruder Nacht für Nacht und Tag für Tag erleben.
Auch Quinn und Jay suchen Schutz in den Tunneln. Die vier freunden sich an und berichten einander von ihren Träumen – während um sie herum der Krieg tobt. Doch nicht alle werden überleben…

Das Vorwort bereitet darauf vor. Sie waren vier, nun sind sie noch drei. Wer damit nicht umgehen kann, hat noch vor dem ersten Kapitel die Chance, wieder aus der Geschichte auszusteigen.
Allen anderen stellt sich die Frage, was die vier Kinder in dieser schwierigen Zeit erleben werden und was passieren wird, das sie auseinanderreißt.

Ella ist die Ich-Erzählerin der Geschichte. Sie führt durch die Handlung und gibt die tiefsten Einblicke in ihre Gedanken und Gefühle. Nach einer Polio-Erkrankung hat Ella ein lahmes Bein. Dies beeinträchtigt ihr Denken und Handeln sehr. Sie fühlt sich schwach und nicht liebenswert.
Während Ella von einer Familie träumt (doch welcher Mann sollte sie mit diesem Bein schon wollen), hat die 15-jährige Quinn andere Vorstellungen vom Leben. Zwar ist sie Männern nicht grundsätzlich abgeneigt, aber Hausfrau und Mutter möchte sie ganz sicher nicht sein. Sie flüchtet vom sicheren Landsitz ihrer Eltern in die Stadt, weil sie in diesen schwierigen Zeiten helfen möchte, am liebsten als Krankenschwester. Manchmal agiert sie etwas naiv und gutgläubig – die Schrecken der zerbombten Stadt hat sie in ihrem sicheren Zuhause bisher nicht kennengelernt –, aber sie gibt auch bei Rückschlägen nicht auf und packt an, wo es nötig ist. Ihr Tatendrang und ihre erfrischenden Ansichten färben auch auf Ella ab, die im Verlauf der Geschichte über sich hinauswachsen wird.

Jay (16) ist in Ellas Augen ein Gauner. Er erschleicht sich zügigen Zugang in die U-Bahn-Stationen und blockiert dort Schlafplätze, die er an Menschen verkauft, die erst spät die Tunnel betreten können. Dass Jay dabei keineswegs böse Absichten hat, wird Ella im Verlauf der Geschichte herausfinden.

Der vierte im Bunde ist Ellas jüngerer Bruder Robbie, lebensfroh und unbeschwert, trotz der schwierigen Zeiten.

Die vier sind Nacht für Nacht zusammen eingesperrt, wodurch es früher oder später zu intensiven Gesprächen kommt. Sie sprechen viel über ihre Wünsche, Hoffnungen und Ängste. Aber auch am Tag verbringen sie teilweise Zeit miteinander. Sie halten zusammen und helfen einander, lernen das Leben der anderen kennen und stoßen auf gesellschaftliche Probleme – die (teils) auch heute noch präsent sind.
Jeden Tag sind neue Häuser zerstört, Menschen sterben, die Lebensbedingungen in den Tunneln sind unerträglich. Aber alle vier geben die Hoffnung nicht auf und Träumen von ganz unterschiedlichen Varianten der Zukunft.

Das Buch wird vom Verlag für LeserInnen ab 14 empfohlen, was mir aufgrund der ernsten Thematik und teils blutigen Kriegszustände passend erscheint. Der Erzählstil ist jugendlich und einfach gehalten. Die Beschreibungen sind angemessen anschaulich. Anna Woltz gelingt es, die Schrecken des Krieges realistisch und einfühlsam nachzuzeichnen.

Fazit

Erwachsenwerden zwischen Kriegstrümmern. Die vier Protagonisten erleben die Schrecken des Krieges, stoßen auf Hindernisse und durchstehen extreme Situationen. Sie sehen und erleben viel Leid – es kommt zu dramatischen und traurigen Ereignissen. Und dennoch gibt es viele positive Momente in der Geschichte – der Zusammenhalt, die Hilfsbereitschaft, wie die Figuren an ihren Aufgaben wachsen und niemals die Hoffnung auf ihre ganz persönliche glückliche Zukunft aufgeben…

Ich danke dem Verlag für das bereitgestellte Rezensionsexemplar.

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