[gelesen] Sonja und die Ent-Scheidungsmütze von Måns Gahrton, Johan Unenge

Rezensionsexemplar

©Carlsen Verlag
Sonja und die Ent-Scheidungsmütze

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Måns Gahrton, Johan Unenge (Illustration)
erschienen Juni 2022
ab 4 Jahren
40 Seiten
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Carlsen Verlag
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wichtiges Thema, nicht optimal umgesetzt

In Sonjas Leben hat sich durch die Trennung der Eltern einiges verändert. Sie hat nun nicht mehr nur ein zu Hause sondern zwei. In dem einen hat sie ein eigenes Zimmer, in dem anderen nicht, in dem einen ist schon alles eingerichtet, in dem anderen noch nicht. Jedes zu Hause bringt gleichzeitig auch gewisse Erwartungen und Möglichkeiten mit sich und die Kleine steht zwischen den Stühlen. Keine leichte Situation für ein Kind, hin und hergerissen zwischen dem Wunsch es jedem recht machen zu wollen und es doch nicht zu können, weil jeden etwas anderes glücklich macht. Und irgendwann weiß Sonja einfach gar nicht mehr, wohin mit sich und mit ihren aufgewühlten Gefühlen.

Das Buch greift ein ernstes Thema auf, mit dem sich leider viele Kinder beschäftigen müssen. Durch die Trennung oder Scheidung der Eltern ändert sich einiges in ihrem Leben und sie müssen irgendwie mit der Situation umgehen, ihren Platz finden und sich mit den Veränderungen arrangieren, möglichst sogar das beste daraus machen. Wie gut das gelingt, wird sicher auch am Alter der Kinder und am Verhalten der Eltern liegen. In Sonjas Fall ist es so, dass die Erwartungshaltung der Eltern auf die Tochter übertragen wird. Die Mütze, um die es hier geht, steht dabei eher symbolisch für verschiedene Situationen, in die Kinder in Trennungsfällen geraten werden. Die Mütze von Papa zu tragen, um ihn glücklich zu machen, während man bei ihm ist, ist nicht schwer. Die Mütze von Mama zu tragen, die diese viel lieber an ihr sehen möchte, vielleicht auch nicht. Aber immer zur richtigen Zeit die richtige Mütze zu tragen, um niemanden zu enttäuschen, das kann ganz schön anstrengend werden, vorallem wenn es dabei nicht darum geht, was Sonja eigentlich will. Dass in Sonja sehr widersprüchliche Gefühle toben und sie irgendwann überfordert ist, wird auch durch die tollen Illustrationen gut deutlich. Dabei wird vorallem der Fokus auf das Minenspiel der Figuren gelegt.
Insgesamt habe ich mir viel mehr von dem Buch versprochen. Sonjas Reaktion ist sicherlich ihrem Alter geschuldet und der schwierigen Situation, in der sie steckt, aber die Reaktion der Eltern, die darauf folgt, finde ich teilweise wirklich unangemessen. Außerdem muss man sehr viel in den wenigen Text hineininterpretieren, was man als Erwachsener sicher hinbekommt, aber können es auch die Kinder? Oder wird es hier eher zu einem Buch, bei dem man beim Vorlesen sehr viel rundrum oder hinterher erklären und durchsprechen muss? Sicherlich kann das Buch einen darauf hinweisen, wie sehr Trennungskinder zwischen den Stühlen stehen, wie schwer es ist, jedem alles rechtmachen zu wollen und dass das eigentlich auch gar nicht nötig ist, weil es eben nicht wichtig ist, welche Mütze man trägt – symbolisch für so viele andere Dinge.  Wenn man die Kinder nicht „auffängt“ nach dem Vorlesen, kann es aber vielleicht auch dazu motivieren, unsinnige, gefährliche Dinge zu tun, so wie Sonja, die am Ende des Buches wegläuft, spät am Abend, durch die bittere Kälte von ihrer Mutter zu ihrem Vater, ohne entsprechende Kleidung. Schließlich funktioniert es im Buch ja auch und Sonjas Eltern machen sich danach mit ihr einen „schönen Abend“ im Warmen. Man könnte es fast so empfinden, dass sie für ihr Verhalten belohnt wird statt mit ihr drüber zu sprechen, dass das nicht okay war, genauso wenig wie es okay war, dass die Eltern ihr ihre Meinungen aufdrücken wollten.

Gestaltet ist das Buch sehr schön. Die Texte sind knapp gehalten, im Mittelpunkt stehen die Illustrationen, die mir gut gefallen und die eindrücklich zeigen, wie sich die Gefühle bei den Beteiligten verändern. Mit der Mimik der Protagonisten wird hier toll gespielt. Ich mag auch den Stil der Zeichnungen, man verliert sich nicht in Details, wird nicht zu sehr abgelenkt von den Dingen, um die es geht und trotzdem sieht man, an welchen Orten man sich befindet.

Fazit

Ein sehr wichtiges Thema, das hier aufgegriffen wird, nur leider finde ich die Umsetzung nicht komplett gelungen. Besonders die Situation, in der Sonja für etwas belohnt wird, was nicht okay war, lässt irgendwie einen bitteren Nachgeschmack entstehen und vermittelt auch einen falschen Eindruck. Schließlich sollen Kinder ja nicht irgendwas unsinniges oder gefährliches tun, damit sie hinterher von ihren Eltern Aufmerksamkeit bekommen und die vielleicht mal drüber nachdenken, was nicht so ganz richtig läuft. Besser wäre, sie vorher aufzufangen, mit ihnen zu reden und Anzeichen für Frustration und Enttäuschung wahrzunehmen. Das Buch zeigt auf jeden Fall Sonjas schwierige Situation, die sicher viele Betroffene nachvollziehen können, nur für mich eben nicht überall mit den richtigen Botschaften.

Ich danke dem Verlag für das bereitgestellte Rezensionsexemplar.

8 Gedanken zu „[gelesen] Sonja und die Ent-Scheidungsmütze von Måns Gahrton, Johan Unenge“

  1. Hallo liebe Dana,
    ich finde, das Buch greift ein sehr wichtiges Thema auf. Mir fallen spontan gleich drei alleinerziehende Mütter in meiner näheren Umgebung ein. Das ist mit Sicherheit nicht einfach. Sowohl für die Eltern, als auch für die Kinder. Dass man es als Kind gerne beiden recht machen möchte, ich denke, dieser Gedanke ist nicht abwägig. Es kommt, wie du schon so schön schreibst, ja auch darauf an, wie die Eltern mit der Situation umgehen.
    Wenn man sich trennt, dann ist ja meist in der Beziehung nicht mehr alles so gut gewesen. Und vermutlich ist es nicht abwägig, dass viele Eltern dann auch nicht in der Lage sind, dem Kind ein perfektes Umfeld zu liefern/bzw. immer gute Entscheidungen zu treffen.
    Ich denke eine Geschichte zu dem Thema bietet allerhand Potential.

    Ich verstehe deinen Kritikpunkt bzgl. des Endes, bei dem das Kind wegläuft und die Eltern dann quasi als „Belohnung“ einen schönen Abend gestalten. Das kann für jüngere Leser ein schlechtes Vorbild liefern. Ich denke, dass der Autor diesen Weg gewählt hat, um der Geschichte ein wenig Spannung zu verleihen.

    Ganz liebe Grüße
    Tanja :o)

    1. Hallo Tanja,
      ich schätze, jeder kennt Familien, die von dem Thema betroffen sind. Ob die Trennung nun friedlich verlief oder nicht oder die Eltern vielleicht auch nie richtig zusammen waren…spielt ja eigentlich nicht mal soo die Rolle, die Zerrissenheit bei den Kindern wird da sein – natürlich in unterschiedlicher Intensität, je nachdem, wie schlimm die Zeit vielleicht war. Und auch wie viel Streit es vorher schon gegeben hat und dort die Kinder vielleicht schon versucht haben, unter dem Radar zu bleiben.
      Sicherlich entwickelt man ein wenig „Spannung“, wenn Sonja wegläuft, aber ist das nötig? Es ist ja nun keine Abenteuergeschichte.. das Buch hat 40 Seiten und eigentlich sollte man sich doch da auf das fokussieren, was wirklich wichtig ist oder? Oder dann eben hinterher mit dem Kind darüber reden, dass man versteht, wie schwierig es für das Kind ist und dass man sich eben als Elternteil auch nicht immer richtig verhalten hat, sie aber für die Zukunft einen besseren Weg finden wollen – aber das passiert nicht. Das müsste man, wenn man es mit seinem Kind liest, alles selbst anfügen oder am besten die Passage weglassen, in der Sonja wegläuft, das finde ich sehr schade.
      Liebe Grüße
      Dana

  2. Hi Dana,

    solche Kinderbücher lese ich ja gar nicht mehr, da bin ich einfach raus 🙂
    Dass solche Themen aufgearbeitet werden ist natürlich toll, aber wenn es nicht so richtig kindgerecht erzählt wird, wirds schwierig, das mag ich auch nicht… An sich hört es sich ja gut an, dieses Dilemma immer hin- und hergerissen zu sein, dass die Kinder ja sicher empfinden, aber wenn es dann nicht aufgeklärt wird oder mit positiven Input für die Kids die es lesen ist es doof.
    Darüber zu sprechen ist auf jeden Fall wichtig – ab 4 Jahren hast du oben geschrieben,also eher für Vorschulkinder gedacht, so dass die Eltern es vorlesen „müssen“, vielleicht auch ein Appell-Buch an die Eltern,um sich damit auseinander zu setzen? Schwierig zu beurteilen, auch weil die Situation immer eine ganz eigene ist.

    Liebste Grüße, Aleshanee

    1. Hallo Alex,
      das stimmt, die Situation wird in jeder Familie sehr unterschiedlich sein und damit natürlich auch die Intensität der Empfindungen bei den Kindern usw.
      Ich finde es auch richtig und wichtig, solche Themen in Kinderbüchern/Vorlesebüchern aufzugreifen. Es bietet ja auch die Möglichkeit für beide Seiten darüber zu reden und nachzudenken, gemeinsam einen Weg zu finden, der in der jeweils individuellen Situation funktionieren kann usw. Aber dann sollte ja das „Buchvorbild“ entsprechend auch so sein, finde ich. Aber auch da gehen die Meinungen sicher auseinander, wie bei allem 😉
      Ich schaue in so Bücher aber gern mal rein, selbst wenn einen das Thema jetzt nicht akut betrifft, im Umfeld gibt es ja doch auch immer mal Leute, die es betrifft.
      Liebe Grüße
      Dana

  3. Hallöchen. Ich finde Deine Rezension sehr gut und verständlich. So ein Thema in ein Bilderbuch mit unzureichendem Text zu verpacken, durch Wenig etwas Großes zu vermitteln ist eine Mammutsaufgabe, vorallem wenn Kindern etwas mitgegeben werden soll. Schade, dass das nicht funktionierte.

    1. Hallo Franci,
      es ist auf jeden Fall ein ziemlich komplexes Thema und dass es vielleicht auch schwierig ist, das mit so wenig Text zu vermitteln, stimmt sicher. Ich denke aber, man hätte durchaus die Botschaft etwa besser rüberbringen können, wenn man z.B. das Ende anders gewählt hätte. Damit hätte man trotzdem nicht jede Facette erfasst, aber es hätte auf jeden Fall zu dem einen Punkt dann eine etwas klarere Botschaft gegeben, die man als „positiv“ empfindet. So ist aber eben nur mein Eindruck. Andere sehen das vielleicht anders oder interpretieren mehr rein. Nur Kinder mit 3 Jahren interpretieren halt nicht so viel. Da muss man dann als Vorlesende/r sehr viel erklären und dazu erzählen und vermitteln usw. Das ist an sich ja auch okay, Bücher müssen ja nicht die ganze Welt erklären, aber ich mochte die Botschaft am Ende eben trotzdem nicht so gern. Unter anderem weil Sonja dafür belohnt wurde, dass sie weggelaufen ist…
      Liebe Grüße
      Dana

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