[gehört] Als die Welt uns gehörte von Liz Kessler

Rezensionsexemplar

© argon
Als die Welt uns gehörte

Liz Kessler
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gelesen von Julian Greis, Fritzi Haberlandt, Walter Kreye, Friedhelm Ptok
erschienen im Mai 2022
7h 58min
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Argon/ sauerländer audio

ein Buch, das nachwirkt…

1936: An Leos 9. Geburtstag verbringen die drei Freunde Leo, Elsa und Max einen tollen Tag in Wien, den alle drei nie vergessen werden. Kurz danach trennen sich ihre Wege. Mit der zunehmenden Judenverfolgung und dem beginnenden Krieg sind Elsas und Leos Familien zu Umzug und Flut gezwungen, während Max’ Vater beruflich aufsteigt und seinem Sohn seine Ideologie predigt.

Eigentlich ist das nicht unbedingt mein Wohlfühl-Genre, aber der Klappentext hat mich neugierig gemacht. Die Kombination aus Zeitgeschichte, aufgearbeitet als Jugendbuch, fand ich sehr interessant. Mit 12 ist die Altersempfehlung aber vielleicht etwas niedrig angesetzt.

Was ich beim Hören nicht wusste und mir der Hörbuch-Download auch nicht verraten hat: Autorin Liz Kessler verarbeitet in der Geschichte reale Ereignisse ihrer eigenen Familie. Und das merkt man auch. Sehr einfühlsam und authentisch werden hier dunkle Stunden der europäischen Vergangenheit in einer berührenden Geschichte von drei Heranwachsenden verpackt.

Während die Kinder in den ersten Kapiteln noch Zeit miteinander verbringen, entwickeln sich bald drei unterschiedliche Handlungsstränge.
Elsa und Leo sind Juden. Ihre Familien gehen unterschiedliche Wege, beide Kinder bekommen aber sehr viel Hass und Verachtung zu spüren. Ihre Passagen sind sehr bedrückend, oft grausam, brutal und schwer zu ertragen. Hier wird nichts beschönigt. Zwar handelt es sich trotz der realen Vorbilder um fiktive Figuren, aber jederzeit ist klar: genau so könnte es sich abgespielt haben.
Darüber, dass es ziemlich viele Zufälle gibt (Charaktere, die sich Jahre später an völlig anderen Orten zufällig wiedertreffen), lässt sich dabei komplett hinwegsehen.

Max’ Leben unterscheidet sich extrem von dem seiner Freunde. Als Deutscher ist er von der Ausgrenzung und Verfolgung nicht betroffen. Im Gegenteil, durch seinen Vater ist er auf eine ganz andere Art plötzlich mittendrin. Dadurch sind auch seine Passagen nicht weniger schockierend und bedrückend. In ihrem Vorwort (das man online findet, im Hörbuch ist es nicht enthalten) schreibt Kessler: „die Geschichte von Max ist mein Versuch, zu ergründen, wie so viele normale Menschen Teil eines dermaßen brutalen, schlimmen und entsetzlichen Regimes hatten werden können.“
Wird verständlich, warum er handelt, wie er handelt? Ein wenig, manchmal. Hätte er sich den Befehlen wiedersetzen können, wenn er es gewollt hätte? Wohl kaum. Zumindest nicht, ohne die Konsequenzen dafür zu tragen. Während er einerseits um Anerkennung ringt, keimen doch auch immer wieder kleine Zweifel in ihm auf. Letztlich wirkt seine Entwicklung realistisch und wird bis zu einem gewissen Grad auch nachvollziehbar.

Die Wechsel zwischen den Charakteren mit ihren extrem unterschiedlichen Erlebnissen sorgen für eine abwechslungsreiche Geschichte, in der man durchweg ein Wechselbad der Gefühle erlebt. Einerseits fiel es mir schwer, aufzuhören, weil ich mitgelitten und mitgefiebert habe. Wissen wollte, wie es ausgeht. Auf ein Wunder gehofft habe. Und manchmal war es aber auch schwer, weiterzuhören, weil ich die Geschehnisse erst mal verdauen musste, bevor der nächste Horror auf die Figuren zukommt.

Für die drei Kinder gibt es drei unterschiedliche Sprecher/innen. Spannend dabei ist, dass Leo und Elsa aus der Ich-Perspektive berichten, während Max’ Passagen aus der personalen Perspektive geschildert werden, sodass zu ihm immer ein klein wenig mehr Distanz gehalten wird.
Sprechtempo und Betonung fand ich bei allen Sprecher/innen super. Überhaupt ist der Erzählstil sehr angenehm, anschaulich und sehr gefühlvoll.

So düster die Geschichte auch ist, gibt es immer wieder positive Momente. Die Charaktere verlieren ihre Hoffnung nicht. Die Liebe (zu ihren Familien) gibt ihnen Kraft. Sie wertschätzen die positiven Dinge, die sie im Leben haben.

Fazit

In der Art der Erzählweise, die so authentisch, einprägsam und intensiv daherkommt, spürt man, wie wichtig die Geschichte der Autorin ist. Teilweise ist die Handlung schwer zu ertragen, so ungeschönt wie hier die realen Grausamkeiten dargestellt werden (Daher Vorsicht mit der Altersempfehlung. Nicht für jede/n 12-jährige/n dürfte diese Geschichte geeignet sein). Doch gleichzeitig bleibt durchweg ein Funke Hoffnung vorhanden, wenn die Figuren in all der Düsternis nie ihre Zuversicht verlieren.
Mein einziger Kritikpunkt: dass dem Hörbuch das so wichtige Vorwort fehlt.

Ich danke dem Verlag sowie NetGalley für das bereitgestellte Rezensionsexemplar.

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