[gelesen] Du & ich und das Ende der Welt von Brianna Bourne

Rezensionsexemplar

©Carlsen
DU & ich und das Ende der Welt

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Brianna Bourne
erschienen November 2021
384 Seiten
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Carlsen
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viele schöne Ideen, gefühlvoll und turbulent, trotzdem nicht ganz überzeugt

Hannahs Welt hat sich über Nacht komplett verändert. Als sie aufwacht, ist niemand mehr da. Ihre Heimatstadt ist leer, niemand ist da, kein Hinweis was passiert ist, keine Möglichkeit jemanden zu erreichen. Für die Jugendliche ist die Stille kaum aushaltbar. Sie füllt ihren Tag zwar routiniert mit ihrem Balletttraining, aber auch das kann sie nicht über das hinwegtrösten, was an Gedanken durch ihren Kopf tobt. Erst als sie nach einigen Tagen auf Leo trifft, sorgt das für einen kleinen Lichtblick. Gemeinsam streifen die beiden durch Houston, müssen sich dabei ungeahnten Herausforderungen stellen und kommen sich auch auf der persönlichen Ebene langsam näher. Endlich können sie sein, wer sie sind, Erwartungen, Vorurteile und Schubladen hinter sich lassen. Doch was ist mit der Welt passiert? Welche Gefahren drohen den beiden in der scheinbar ausgestorbenen Stadt und was hat das alles zu bedeuten?

Das Setting, in das man sofort mit Beginn der Welt eintaucht, hat mir gut gefallen. Es ist gleich eine unheimliche, mysteriöse Stimmung und man ist gespannt, mehr über Hannah und das verlassene Houston zu erfahren. Es wird auch direkt spürbar, wie schlimm die Situation für die Protagonistin ist, dass sie, verständlicherweise, mit einigen Ängsten kämpft und sich fragt, was mit der Welt passiert ist und wann es wieder aufhört. Stück für Stück erfährt man mehr über ihre Lage und die Gegebenheiten in der Stadt, über die Dinge, die sie in den vergangenen Tagen erlebt hat und wie sie versucht ihren Tag zu füllen und durch die Routinen irgendwie im Fluss zu bleiben.
Das Ballett bestimmt schon seit vielen Jahren das Leben der Siebzehnjährigen und ist auch jetzt ihr Anker in der Stille und Einsamkeit. Zu Trainieren bringt die Gedanken in ihr ein wenig zur Ruhe, die Konzentration auf die Schritte und Figuren verlangt ihr einiges ab. Immer wieder wird das Tanzen mit unterschiedlicher Intensität, verschiedenen Figuren und Fachbezeichnungen in die Geschichte eingebaut. Auch wenn ich nicht zu allen ein Bild im Kopf hatte, mochte ich die Einflechtung sehr gern, weil es damit lebendig und authentisch wirkte und ich ein ganz gutes Gefühl für Hannahs Leidenschaft bekommen habe. Interessant fand ich auch die Entwicklungen rund um das Thema und ihre Emotionen dazu, die ich aus Spoilergründen jetzt natürlich nicht verraten kann.
Als zweite Figur taucht Leo recht schnell auf. Er liebt Musik, singt auch in einer Band und hat in den Tagen, in denen er sich allein durchschlagen musste, alle möglichen Orte erkundet. Er ist da wesentlich offener und abenteuerlustiger als die pflichtbewusste, sehr strukturierte Hannah und auch in vielen anderen Dingen scheinen sie sich stark zu unterscheiden. Das machte die Kombination der Protagonisten jedoch auch interessant. Auch über ihn und die Musik, die er bevorzugt, erfährt man im Laufe des Buches dann mehr.

Plötzlich allein zu sein, ohne zu wissen, was los ist und wie man die Situation wieder ändern kann, ist eine ziemlich unheimliche Vorstellung. Da ist es nicht verwunderlich, dass Leo und Hannah sich direkt zusammentun, als sie sich finden. Die beiden kannten sich bis dahin nur flüchtig aus der Schule, aber selbst wenn sie Fremde gewesen wären, war die Aussicht auf jemanden, mit dem man sich unterhalten und austauschen kann, verlockend und ein Stück weit auch beruhigend. Gemeinsam erleben die beiden verschiedene Dingen und überlegen dabei auch, ob es irgendeinen Ausweg aus ihrer Lage geben könnte. Recht schnell wird dabei auch deutlich, dass sie einen guten Draht zueinander haben und dass nicht nur daran liegt, dass sie gerade nicht viel Auswahl bei den Gesprächspartnern haben. Obwohl oder vielleicht auch gerade weil sie so unterschiedlich sind, tun sie einander gut, ergänzen sich und bringen sich auf unterschiedliche Weise zum Nachdenken. Ich mochte viele der Dialoge zwischen den beiden sehr gern, aber auch die Gedankengespräche, die die Protagonisten mit sich selbst führen, fand ich häufig sehr gelungen. Aufgrund der veränderten Situation und den neuen Erfahrungen, beginnen sie einiges zu hinterfragen und zu durchdenken und finden dabei auch ein Stück weit zu sich selbst. Da die Geschichte aus der Ich-Perspektive beider Protagonisten erzählt wird, hat man da dann auch die Chance sehr intensiv in ihre Gedanken- und Gefühlswelten einzutauchen und mitzuerleben, wie diese sich durch die Erlebnisse und Gespräche verändern.
Sehr spannend waren auch die turbulenten Ereignisse, die die Protagonisten zwischendurch überrollen. Sie geraten in Gefahr, müssen flüchten, sich einen sicheren Ort suchen und sich gleichzeitig immer wieder mit ihren zahlreichen Gedanken und der seltsamen Situation auseinandersetzen. Die unerwarteten Widrigkeiten, die die Welt für sie bereithält gefielen mir richtig gut. Es war interessant und spannend zu verfolgen und hat auch neue Fragen aufgeworfen. Viele Aspekte und Ideen der „leeren“ Welt, in der es eben alles andere als ruhig ist, fand ich richtig cool. Trotzdem war ich am Ende des Buches nicht so komplett zufrieden mit der Geschichte.

Der Schreibstil an sich ist angenehm, viele der enthaltenen Ideen mochte ich, immer wieder gab es die Notwendigkeit für die Charaktere, Pläne zu ändern, um der drohenden Gefahr zu entgehen. Dabei blieb stets die Frage, was in Houston eigentlich los ist. Parallel dazu lernen sich Hannah und Leo kennen, sie tauschen sich viel aus, über ihre Erfahrungen und Erlebnisse, über ihre Gefühle, Ängste und Hoffnungen und kommen sich dabei näher. Dieser Kontrast aus Liebesgeschichte und den turbulenten Zuständen hat mir gut gefallen. Auch einige der Botschaften, die in den Gesprächen und Gedanken enthalten waren, haben mich angesprochen. Dass traumatische, dramatische oder einfach gänzlich ungeplante Ereignisse zum Umdenken führen können, einen die Augen öffnen, einem klar werden lassen, was man eigentlich wirklich will oder was man verpasst hat, fand ich schon sehr nachvollziehbar. Und bringt den einen oder anderen beim Lesen sicher auch zum Nachdenken.
Aber mit der Auflösung der leeren Stadt habe ich dann doch irgendwie gehadert. Es ist nicht so, dass es mir gar nicht gefallen hat, es hat mich aber eben auch nicht so richtig überzeugt. Und das kann ich gar nicht so richtig greifen oder erklären, es ist vielmehr das Gefühl, das es in mir hinterlassen hat.

Fazit

Ein Buch, das mich mit gemischten Gefühlen zurücklässt. Viele Ideen und Aspekte der leeren Welt, in der dann einige unerwartete Gefahren auf die Charaktere zukommen, mochte ich sehr. Auch die Gespräche zwischen Hannah und Leo und wie sich ihre Sichtweisen und Emotionen im einsamen Houston verändert haben, haben mir grundsätzlich gut gefallen. Nur mit der Auflösung der Situation konnte ich mich nicht komplett anfreunden, auch wenn das schwer zu erklären ist. Es hat mich einfach nicht komplett mitgenommen/gepackt.

Ich danke dem Verlag für das bereitgestellte Rezensionsexemplar.

2 Gedanken zu „[gelesen] Du & ich und das Ende der Welt von Brianna Bourne“

  1. Liebe Dana,

    vielen Dank für die tolle Buchvorstellung. Die Geschichte klingt schon sehr spannend und auch was du über die Charakterentwicklung schreibst. Jedoch ist gerade bei so einer Geschichte die Auflösung sehr wichtig, schade, dass sie dich hier nicht so richtig erreichen konnte.

    Liebe Grüße
    Jenny

    1. Hallo Jenny,
      das ist hier so ein Buch, bei dem es schwer ist, richtig die Meinung zu sagen, ohne die Auflösung zu spoilern. Die Auflösung ist definitiv wichtig. Ich kann mir aber auch gut vorstellen, dass sie für andere vielleicht gut funktionieren kann oder es sie nicht stört oder wie auch immer. Ich glaube, das ist wirklich ein Punkt von Geschmackssache bzw. dem Gefühl, das dabei zurückbleibt. Für mich hat es halt nicht komplett funktioniert, obwohl viele andere Dinge im Buch echt toll waren.
      Liebe Grüße
      Dana

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