[gelesen] Making Faces von Amy Harmon

Rezensionsexemplar

© LYX
Making Faces
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Amy Harmon
erschienen im Oktober 2020 (Neuauflage)
381 Seiten
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LYX

hatte mir mehr Emotionen erhofft

Sterben ist einfach. Die wahre Herausforderung ist das Leben.
Seit sie denken kann, ist Fern Taylor in Ambrose Young verliebt. Ambrose, der überall beliebt ist und so schön, dass ein unscheinbares Mädchen wie Fern niemals auch nur auf die Idee gekommen wäre, bei ihm eine Chance zu haben. Ihre Freizeit verbringt sie mit ihrem besten Freund Bailey, der an den Rollstuhl gefesselt ist, aber dennoch das Leben mit jeder Faser aufsaugen will. Eigentlich schien es ganz klar, was die Zukunft für sie bereithält. Bis zu dem Moment, als Ambrose Fern endlich »sieht«, aber so zerbrochen ist, dass sie nicht weiß, ob ihre Liebe genug sein wird … © Klappentext: LYX

Ich hatte schon viel positives von dem Buch gehört und dementsprechend hoch waren meine Erwartungen.
Die Figurenkonstellation verspricht eine Geschichte, die sich emotional entwickeln könnte. Doch obwohl ich das Buch nicht schlecht fand, bin ich am Ende doch enttäuscht. Weil in meinen Augen ganz viel Potential für große Gefühle verschenkt wurde.

Dass die aufwühlenden Ereignisse um den 11. September eingebunden sind, damit habe ich nicht gerechnet. Direkt erste Gänsehautmomente am Start. Jede/r von uns weiß wohl noch, wo er/ sie an diesem Tag war. Und so erlebt man mit, wie die Hauptfiguren diesen Tag, diese schweren Stunden erlebt haben.
Besonders Ambrose ist emotional betroffen, trotzdem habe ich mich gerade mit ihm aber schwer getan. Und hadere nun letztlich bereits mit der Ausgangssituation:
Ambroses Haltung, es wird Krieg geben und irgendwer müsse schließlich kämpfen, finde ich schon schwierig. Dass er dann aber auch noch aus egoistischen Gründen, weil er sich nicht verabschieden will, seine Freunde überredet, sich zu verpflichten und mit ihm in den drohenden Krieg zu ziehen, konnte ich absolut nicht nachvollziehen geschweige denn gutheißen. Sympathiepunkte ade.
Allgemein kann ich dieser extrem patriotistischen Darstellung wenig abgewinnen. Zum Glück gibt es zumindest einen Charakter, der als Gegenpol die Schattenseiten des Kriegseinsatzes klar benennt und Ambrose zumindest ein wenig an seiner Entscheidung zweifeln lässt.

Mein mangelndes Verständnis für Ambrose hat es mir dann auch erschwert, bei den nachfolgenden (absolut nicht überraschenden) Ereignissen mit ihm mitzufühlen.
Einen großen Anteil daran hat aber auch der Schreibstil, den ich als distanziert und irgendwie unentschlossen empfunden habe. Irgendwie allwissend, irgendwie personal zwischen den Figuren springend, habe ich die Erzählweise bis zuletzt als holprig und gefühllos empfunden.

Berührt hat mich nur Baileys Schicksal. Von einer Krankheit gezeichnet muss der junge Mann viele tägliche Einschränkungen in Kauf nehmen. Er sagt selbst, dass er seinen Stolz schon lange über Bord geworfen hat, schließlich benötigt er bei fast allem Hilfe von anderen. Dennoch ist er eine unglaublich lebensfrohe, freundliche und gutherzige Figur. Leider hat die nüchterne Erzählweise aber auch hier in meinen Augen Potential für emotionale Momente verschenkt – besonders in den entscheidenden Szenen.

Erst sehr spät gab es noch ein paar Augenblicke, die mich berühren konnten – hier aber auch vor allem die längeren Passagen wörtlicher Rede.

Auch wenn ich die schüchterne, trauherzige Fern eigentlich mochte, fand ich sie teilweise auch etwas anstrengend. In ihrer Kindheit wird sie als „nicht hübsch“ bezeichnet. Etwas, was Fern für sich verinnerlicht, auch wenn sich vieles bei der jungen Erwachsenen „herausgewachsen“ hat. Im Gegensatz dazu steht Ambroses unglaubliche Schönheit, die Fern nicht müde wird, immer wieder zu betonen. Dabei stört mich, dass äußere Schönheit als etwas messbares und vergleichbares dargestellt wird – als läge Schönheit nicht grundsätzlich immer im Auge des Betrachters. Natürlich geht es letztlich um die Erkenntnis, dass Schönheit viel mehr ist, als nach außen sichtbar ist und es vor allem die inneren Werte sind, auf die es ankommt und die einen Menschen tatsächlich „schön“ machen.

Insgesamt hatte ich am Ende des Buches das Gefühl, dass hier mehr drin gewesen wären. Mit einer eindringlicheren Schreibweise. Und vielleicht auch mit ein paar weniger ernsten Themen, von denen das Buch insgesamt zu überladen ist. Denn auch bei den Nebencharakteren gibt es zahlreiche kleinere und größere Dramen, für die aber gar nicht genug Raum zur Verfügung steht. Neben Ambrose traumatischen Kriegserlebnissen und dessen Folgen, Ferns Selbstzweifeln und Bailyes Krankheit geht es auch noch um häusliche Gewalt, wobei besonders die eine Nebenhandlung zwar immer wieder einfließt, sich aber letztlich doch unfertig anfühlt, da es nur nebenbei abgehandelt wurde.

Fazit

Mit Nebenfigur Bailey erschafft Amy Harmon einen unglaublich sympathischen Charakter, dessen Schicksal mich am meisten berührt hat. Mit Ambrose und Fern hingegen hatte ich aus verschiedenen Gründen meine Schwierigkeiten. Und letztlich bin ich auch mit dem Schreibstil nicht richtig warm geworden. Diesem empfand ich bis zuletzt als nüchtern und distanziert, egal wie gefühlsgeladen die Ereignisse eigentlich gerade hätten sein sollen.
Zwar möchte die Geschichte am Ende eigentlich etwas Positives vermitteln, diese Aussage geht aber in meinen Augen zwischen den ganzen Wiederholungen der Zweifler, dem übertriebenen Patriotismus und den vielen ernsten Nebenaspekten allerdings ziemlich unter.

Ich danke dem Verlag für das bereitgestellte Rezensionsexemplar.

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