Rezensionsexemplar
© LYX | Never Doubt . Autorin: Emma Scott erschienen Juli 2020 485 Seiten . hier geht’s zum Verlag → LYX (Bastei Lübbe) . |
bewegende Schicksale
Ich kann es leider nicht ändern – jedes Buch von Emma Scott, das ich lese, vergleiche ich mit „All In – Tausend Augenblicke“ – einem meiner absoluten Lieblingsbücher. Mit All In hat die Autorin mich umgehauen. Keins ihrer anderen Bücher kam für mich an diese unglaublich berührende Geschichte heran.
Nun waren auch die Erwartungen an Never Doubt wieder groß…
Die Geschichte ist gut. Sie ist gefühlvoll. Bewegend. Berührend. Aber dennoch fehlt mir irgendwas…
Was dem Buch außerdem fehlt, ist eine Triggerwarnung. Diese Funktion übernimmt die Widmung zumindest zum Teil, ein eindeutiger Hinweis bei diesem hochemotionalen Thema wäre aber dennoch sinnvoll.
Tatsächlich hadere ich bereits mit der Ausgangssituation. Die zwei Familienbilder, die gezeichnet werden, erscheinen mir sehr klischeehaft und eindimensional. Besonders Willows Familienverhältnisse empfand ich als… unvorstellbar. Von einem Tag auf den anderen verändert Willow sich völlig. Zieht sich zurück. Wendet sich von ihren Freunden ab. Verschlechtert sich enorm in der Schule. Und ihre Eltern haben nichts besseres zu tun, als ihr Vorwürfe zu machen, weil sich dies negativ auf ihre College-Bewerbungen auswirken wird. Kein Nachhaken, woher die Veränderung ihrer Tochter kommt. Keine Sorge. Besonders Willows Vater, der zuhause mit strenger Hand regiert, weil er im Job nichts zu sagen hat, ist ein unausstehlicher Charakter…
Und Isaacs Vater ist kein Stück besser. Den Verlust seiner Frau hat er nicht überwunden, er ertränkt seine Sorgen im Alkohol und lässt seinen Frust an seinem Sohn aus.
Irritiert hat mich auch, dass immer wieder auf den Altersunterschied zwischen Willow und Isaac herumgeritten wird. Sie ist 17 ½, er gerade 19 geworden und irgendwie ist das ein riesiges Problem. Besonders für ihn, denn immer wieder erklärt Isaac sich selbst, dass Willow viel zu jung für ihn sei. Wird wohl ein amerikanisches Problem sein, fand ich aber dennoch befremdlich, da es wirklich sehr oft erwähnt wird.
Wieder unglaublich toll ist der Schreibstil von Emma Scott. Wie schon bei ihren anderen Büchern bin ich durch die Seiten geflogen und habe die Geschichte inhaliert. Sehr flüssig, sehr bildhaft, sehr intensiv. Die wechselnden Ich-Perspektiven ermöglichen es, sehr nah an den Figuren zu sein und ihre Gefühle nachzuempfinden.
Dabei ist es eigentlich unmöglich, sich komplett in sie hineinzudenken. Denn beide sind durch die Hölle gegangen, haben Dinge erlebt, die niemand erleben möchte. Isaac quasi jeden Tag aufs Neue. Und Willow hängt in ihren Erinnerungen an ein schreckliches, traumatisierendes Ereignis fest, über das sie mit niemandem spricht, ihr Leben aber tagtäglich beeinflusst. Ihre Gedanken und Gefühle sind besonders intensiv und eindringlich dargestellt. Ihre Ängste in Bezug auf jeden Menschen, der ihr zu nahe kommt, nachvollziehbar.
Das Theaterspielen ist für beide der Weg, die eigenen Gefühle mithilfe einer fremden Figur auszudrücken und herauszulassen.
So nimmt die Behandlung von Hamlet auch einigen Raum in der Story ein. Netterweise gibt es eine jugendlich-moderne Kurzzusammenfassung des Stückes, sodass es nicht notwendig ist, Shakespares Werk im Detail zu kennen. Immer mal wieder fließen Zitate aus dem alten Text ein. Die Sprache ist anstrengend und stelzig, ich fand ich es aber total faszinierend, wie Emma Scott die aktuellen Ereignisse mit dem Theaterstück verbindet und wie passend die Textstellen für die Situation der Protagonisten gewählt waren. Isaac und Willow finden sich in ihren Rollen wieder und übertragen Gefühle, die ansonsten im verborgenen bleiben, immer wieder auf die Bühne.
Nicht zuletzt die furchtbaren Eltern sorgen für jede Menge Konflikte und Dramen. Davon gibt es einige. Die Handlung bietet sehr viele bewegende, aufwühlende, emotionsgeladene Momente.
Ich habe mit Isaac und Willow mitgefiebert und mitgelitten – wie sie sich ganz langsam näher kommen, obwohl für beide so viele Gründe dagegen sprechen, sich einander zu öffnen.
An der für mich spannendsten Stelle gab es allerdings plötzlich einen Bruch und eine zeitliche Lücke, über die ich zunächst enttäuscht war. Letztlich fügt sich der Schluss dann schon zum Rest, vor allem haben die Figuren den notwendigen Raum, sich weiter zu entwickeln, dennoch empfand ich die Ereignisse im letzten Teil nicht mehr als ganz rund. Hier passieren verschiedene Dinge sehr plötzlich und sehr heftig und vielleicht auch ein klein wenig zu dramatisch. Mit ein wenig zeitlichem Abstand kann ich mit dem Ausgang der Geschichte aber doch gut leben.
Fazit
Schwere Kost. Das Schicksal beider Hauptfiguren ist sehr aufwühlend und bewegend. Dank Emma Scotts sehr anschaulichem, eindringlichen Schreibstil habe ich mit den Figuren mitgelitten und mitgeliebt. Der Zeitsprung im letzten Teil der Handlung war leider ein kleiner Bruch, insgesamt ist die Liebesgeschichte der zwei Teenager, die sich einander eigentlich gar nicht öffnen wollen und denen es vor allem gelingt, ihre Gefühle über das Theaterspielen auszudrücken, aber absolut lesenswert. Dennoch konnte das Buch meine (vielleicht zu hohen) Erwartungen am Ende nicht ganz erfüllen. Was bleibt, ist das Gefühl, dass noch mehr Emotionen möglich gewesen wären…
Ich danke dem Verlag sowie NetGalley für das bereitgestellte Rezensionsexemplar.
Liebe Anja,
vielen Dank für die tolle Rezension. Ich freue mich schon sehr auf das neue Buch von Emma Scott, habe aber leider noch keine Zeit gehabt es zu lesen. Jetzt freue ich mich noch mehr auf die Geschichte.
Welches ist für dich denn ihr bestes Buch, was du bisher gelesen hast?
Liebe Grüße
Jenny
Huhu Jenny,
die Frage ist leicht zu beantworten: All In 1 schlägt sie alle. So eine unglaublich emptionale Story. Und am Ende dachte ich, warum nur soll es eine Fortsetzung geben, es hätte alles so bleiben können, aber selbst die Fortsetzung fand ich unglaublich gut.
Viel Spaß beim Lesen von No Doubt.
Lieben Gruß
Anja