Rezension: Tausend Sorgen sind zu viel für einen Tag von Cilla Jackert

Tausend Sorgen sind zu viel für einen Tag
Autorin: Cilla Jackert
erschienen November 2016
ISBN: 978-3-551-55658-5
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© Carlsen

Tausend Sorgen sind definitiv auch zu viele für ein Buch!
Für mich ist dies aus verschiedenen Gründen kein Kinderbuch (ausgeschrieben ab 11 Jahren):Zum einen fehlt dem Buch die Handlung. Es gibt keine
richtige Geschichte, kein Abenteuer, das voranschreitet. Der Leser erhält einen
kleinen Ausschnitt aus verschiedenen Sommerferientagen der elfjährigen Majken. Zwar macht
sie letztlich eine kleine – oder irgendwie auch riesige – Entwicklung durch,
aber insgesamt wird wenig aktive Handlung beschrieben, da die meiste Zeit
Majkens Gedanken geschildert werden: Gedanken zu aktuellen Geschehnissen,
Erinnerungen und jede Menge Sorgen.

Und das ist der zweite Grund, warum ich das Buch nicht für
11-jährige geeignet finde. Es ist sicher sinnvoll, auch Kinder schon für ernste
Themen wie Umweltschutz zu sensibilisieren, aber hier wird es ziemlich übertrieben.
Majken macht sich nicht über eine Sache Sorgen, sondern wälzt nahezu jedes
Problem, das auf der Welt möglich ist. Umweltverschmutzung, Massentierhaltung,
Konservierungsmittel, Krankheiten, Unfall- und Verbrechensstatistiken, Terror,
Krieg, Naturkatastrophen… tausend Bereiche werden, überwiegend sehr kurz und
überspitzt, angeschnitten. Ein empfängliches Kind wird vermutlich nach dem
Lesen ängstlicher sein als zuvor, da man mit so vielen, teilweise in dem Alter vielleicht noch gar nicht bekannten, Problemen gleichzeitig
konfrontiert wird. Denn für Majken lauert an jeder Ecke Gefahr. Ihr größtes
Abenteuer besteht darin, die „verbotene“ andere Straßenseite zu erkunden…
Dennoch war ich von der Wendung am Ende – der Auflösung des
Auslösers ihrer Ängste –  ergriffen, denn dies wird ebenso schockierend wie bewegend
geschildert (aber auch eher nicht kindgerecht).
Danach entwickelt sich eine positivere Handlung (!), Majken beginnt weniger eng zu denken und öffnet sich für ihre Umwelt und Mitmenschen, aber leider nur wenige Seiten lang.. Letztlich konnten mich daher nur ein kleiner Teil des Buches wirklich mitreißen, die restliche Zeit hat mich Majkens
erzwungene Schwarzseherei ziemlich angestrengt, auch wenn die nüchtern kindlich
Darstellung der personalen Erzählweise teilweise recht amüsant war.
Fazit
Schwierig. Die 11-jährige Majken ist so voller Sorgen und
Ängste, dass für Freunde und Spaß kein Platz bleibt. Zwar macht sie
diesbezüglich in der Geschichte eine Entwicklung durch, insgesamt fehlt dem
Buch aber die Handlung, da die Beschreibungen von immer neuen und sich
wiederholenden Ängsten, Sorgen und Katastrophen überfüllt ist, sodass für
aktives Geschehen kaum Raum bleibt. Erst auf den letzten Seiten setzt sich das Umdenken bei Majken, das sich zwischenzeitlich in kleinen Gesten bereits andeutet, durch. Die Trauerbewältigung, die hier als neues Thema plötzlich noch hinzukommt, ist bewegend geschildert, aber auch sehr kurz gefasst.
Zwar finde ich es sinnvoll, auch in
Kinderliteratur nicht nur eine heile Welt zu schildern, aber hier werden so
viele Probleme angeschnitten, dass sensible Kinder von der Vielzahl
alltagsnaher Gefahren überfordert sein könnten, da diese überwiegend kurz
und als extrem lebensgefährlich (Straße überqueren = Unfall!; Softeis essen =
Lebensmittelvergiftung!;  Leberfleck =
Krebs!) ohne viele Erklärungen in den Raum geworfen werden. Nach dem Lesen hat
man definitiv mehr Sorgen als vorher. Da viele davon einen intensiveren
Gedanken wert wären, wäre eine tiefere Behandlung von halb so vielen Themen
sicher nachhaltiger gewesen… Dass sich Majkens Leben und ihre Sicht auf die Dinge auf den letzten 10 Seiten ändert, sorgt zumindest dafür, dass man das Buch – wenn man bis hierhin durchgehalten hat – nicht völlig deprimiert beiseite legt. Insgesamt geht die Entwicklung in der Flut der Sorgen aber eher unter…

 

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