[gelesen] Lily Oliver – Die Tage, die ich dir verspreche

© Knaur
Die Tage, die ich dir verspreche
Autor: Lily Oliver

erschienen 1. September 2016
Verlag: Knaur
ISBN:  978-3-426-51676-8

bewegend, berührend, nachdenklich stimmend

Gwen müsste jetzt eigentlich glücklich sein. Sie müsste
aufatmen, nach vorn schauen und ihr Leben genießen. Doch so leicht ist es
leider nicht. Nach ihrer Herztransplantation ist sie getrieben von Zweifeln,
Ängsten und Schuldgefühlen, die es ihr unmöglich machen, positiv zu denken. Sie
möchte ihr Herz so schnell wie möglich wieder los werden, um jemanden die
Chance zu geben, damit glücklich zu werden, wenn sie es selbst schon nicht
kann. Bei ihrer Suche trifft sie auf Noah, der ungewollt in den erschütternden
Plan rutscht, ohne sich daraus wieder befreien zu können.

 

Der Schreibstil von Lily Oliver ist angenehm flüssig und trotz
des ernsten, teilweise bedrückende Themas wird eine Leichtigkeit erhalten, die
einen durch die Geschichte zieht, ohne dabei zu beschönigen.
Durch die zwei Ich-Perspektiven ist man sehr nah bei den
beiden Protagonisten. Man taucht ein in die zwei Welten, die sich auf so
ungewöhnliche Weise miteinander vermischen.
Noah beschäftigt sich viel mit dem Thema Organspende, das
bringt schon allein sein Forum mit sich, in dem sich Angehörige und Betroffene
austauschen können. Doch dass er einmal so intensiv mit dem Thema konfrontiert
wird, wie es durch Gwen passiert, hätte er sich wohl nicht träumen lassen. Man
merkt, dass der junge Mann mit der Situation überfordert ist und er nicht recht
weiß, wie er sich richtig verhalten soll. Ob seine Entscheidungen alle richtig
waren, darüber könnte man sicher streiten. Wodurch man aber seine Zweifel,
Ängste und Gedanken mit verfolgen kann, kann ich total gut verstehen, wieso er
sich so entschieden hat. Und er wird für Gwen dadurch zu einer wichtigen
Stütze.
Gwens Sicht zu erleben war unglaublich ergreifend,
teilweise bedrückend, aber auch total schön durch die Ehrlichkeit und
Offenheit. Sie kann sich mit ihrer neuen Situation nicht abfinden und möchte am
liebsten alles aufgeben und hinschmeißen. Ich denke nur die wenigsten Leser
werden nachvollziehen können, wie man sich fühlt nach einer
Organtransplantation und auch ich kann mir nicht vorstellen, wie es einem geht.
Das Buch bringt einem diese Sichtweise aber so nah, dass man sich in Gwen
hineinversetzen und sie verstehen kann. All der Druck, der auf ihr lastet, die
Gedanken, die Gefühle, das alles wird verständlich dargestellt und damit
greifbar.
Ich bin selbst Krankenschwester und arbeite im
Intensivbereich, dort habe ich zwar nicht unbedingt mit Patienten nach
Organtransplantation zu tun, aber auch mit Schwerkranken, Schwerverletzten oder
auch Patienten, die ein Spenderorgan bräuchten. Das Piepen der Maschinen, das
Hoffen, Bangen und die Verzweiflung der Angehörigen, das alles gehört auch zu
meinem Berufsalltag. Die Situationen sind im Buch sehr gut beschrieben und ich
konnte mich da total hineinversetzen.
Die Ansichten von Betroffenen und Angehörigen gehen
teilweise weit auseinander, da entsteht eine Kluft, die kaum zu überwinden
scheint. Diese Welten wieder zusammen zu führen, erfordert viel Geduld,
Ausdauer, Mitgefühl und Verständnis von allen Seiten, nicht nur von der Seite
der Angehörigen. Alle müssen zusammen halten und zusammen arbeiten, damit der
Betroffene nach der schweren Zeit wieder zurück in sein Leben findet, sich neu
sortieren und neue Ziele setzen kann und auch damit die Angehörigen ihr
geregeltes Leben wieder aufnehmen können, da dies in der Zeit der Krankheit oft
komplett auf das Krankenhaus ausgerichtet wird.
Doch auch wenn man keinen medizinischen Hintergrund hat,
wird man die Geschichte gut verstehen und nachvollziehen können. Die fachlichen
Dinge sind verständlich erklärt und gut in die Handlung integriert.
Das Buch ist aufwühlend, bewegend und immer wieder sehr
ergreifend. An einigen Stellen musste ich wirklich schlucken und es gab sogar
ein paar Tränen. Die Geschichte geht unter die Haut und sorgt beim Lesen dafür,
dass man sich selbst mit dem Thema beschäftigt und Gedanken macht, sich
vorzustellen, wie es wäre, was dann wäre, ob es vielleicht genauso sein könnte.
Gwens schweren Weg zu verfolgen ist gleichzeitig auch
total spannend. Immer wieder ist man mit ihr gemeinsam verzweifelt, man möchte
ihr eine Hand reichen, ihr aufhelfen, Noah helfen, für sie mit stark zu sein
und doch kann man nur tatenlos zusehen und muss abwarten, was passiert.
Obwohl die Krankheit immer präsent ist, gibt es
zwischendurch auch andere Themen, die in den Mittelpunkt rücken. Ich möchte an
dieser Stelle darüber nicht so viel verraten, weil man es einfach selbst
erleben sollte. Mir hat es auf jeden Fall gut gefallen, dass gezeigt wird, dass
es trotz allem auch immer wieder Momente gibt, in denen man an andere Dinge
denken kann, die einen ablenken von dem, was einen sonst so erdrückt
Eine sehr emotionale, nachdenklich stimmende Geschichte,
die mich von Anfang an mitgenommen hat. Gut verständlich und nachvollziehbar
dargestellte Situationen, die man auch ohne medizinischen Hintergrund verstehen
kann und authentische Figuren bringen einem schöne, aber eben auch ergreifende
Lesestunden.

 

Vielen Dank an den Verlag und die Autorin für das
bereitgestellte Rezensionsexemplar!

Wir haben Autorin Lily Oliver im Vorfeld ein paar Fragen zu ihrem Buch gestellt, schaut gern mal vorbei!

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