[gelesen] Quiet Girl von Debbie Tung

© Loewe Graphix
Quiet Girl
Geschichten einer Introvertierten

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Debbie Tung (geschrieben und illustriert)
erschienen Januar 2022
184 Seiten
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Loewe Verlag
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Graphic Novel mit Tiefgang

Für Debbie besteht ein perfekter Tag nicht aus vielen Menschen und Aktivitäten. Wenn sie sich mit einem guten Buch, einer schönen Tasse Tee und einer Decke aufs Sofa kuscheln kann und alle sie in Ruhe lassen, ist sie sehr zufrieden. Schöner und erholsamer könnte es für die Introvertierte kaum sein. Doch immer wieder kommt sie in Situationen, in denen sie sich unter Menschen begeben muss – weil sie zum Beispiel im Studium keine große Wahl hat oder weil sie ihren Freunden und Bekannten nicht vor den Kopf stoßen will. In ihrem Inneren tobt dann allerdings oft ein ziemlicher Sturm, der eine Reihe negativer Gefühle mit sich bringt. Und immer wieder fragt Debbie sich dann, ob mit ihr etwas nicht stimmt.

„Quiet Girl“ ist eine Graphic Novel.  Wie auch das Cover ist der Innenbereich in schwarz-weiß gehalten. Vom Stil her sind die Zeichnungen eher schlicht gehalten, man verliert sich nicht in tausend Details. Ich empfand das aber als sehr passend, weil so mehr der Fokus auf Debbie, ihrer Mimik und Gestik liegt und auch auf dem Zusammenspiel von ihr und den anderen Menschen, die in ihrer Umgebung sind. Aus ihren Gesichtszügen und ihrer Körperhaltung kann man sehr viel ablesen und so die Stimmung der Protagonistin gut erfassen. Das zentrale Thema im Buch ist das Befinden von Debbie in unterschiedlichen Lebenslagen, mit und ohne Gesellschaft, ihre Gedanken, wenn Einladungen anstehen und weitere alltägliche Situationen.

Für mich war es das erste Buch dieser Art und es war auf jeden Fall faszinierend zu sehen, mit wie wenigen Worten man so viel Tiefgründigkeit über die Seiten hinweg erzeugen kann. Unterstützt wird das Ganze natürlich durch die Zeichnungen, durch die die Erzählung maßgeblich mit lebt. Nur im Zusammenspiel von Bild und Text funktioniert es. Und auch die kleinen Einschübe mit den Übersichten zu Gedanken, Erfahrungen, Survivaltipps und solchen Dingen rund ums Thema Introvertiertsein helfen, die Lage von Debbie zu erfassen und besser zu verstehen.
Besonders eindrucksvoll fand ich zum Beispiel auch die Passage, in der es darum ging, wie sie ihre Batterie wieder auflädt und wie es ihr ergeht, wenn sie es nicht schafft, genug Ausgleich und Erholung zwischen Zusammenkünften zu haben. Das sind so Sachen, über die man sich nicht unbedingt Gedanken macht, wenn es einen in der Form nicht selbst betrifft. Wie sehr man sich in der Protagonistin wiederfindet, ist sicher sehr individuell, spielt aber beim Erleben der Geschichte vielleicht auch nicht die entscheidende Rolle. Nicht jeder ist so introvertiert wie Debbie, nicht jeder ist total extrovertiert, es gibt ja auch noch viel dazwischen. Wichtig ist viel mehr, dass man erfasst, wie verschieden Menschen sind und dass nichts falsch daran ist. Dass man nicht versucht, andere Menschen zu verändern, damit sie mehr sind, wie man selbst oder weil man dann das Gefühl hat, sie passen dann besser in die Gesellschaft. Man sollte versuchen, jeden so zu nehmen, wie er ist, ihn kennen- und verstehenlernen, das akzeptieren und demjenigen vielleicht sogar etwas entgegenkommen, wenn es die Möglichkeit gibt. Es gibt sicher auch Eigenschaften und Eigenarten, die man einfach nicht unterstützen möchte, aber im Buch geht es ja mehr so um die Gesamtheit der Person und nicht um jede einzelne Feinheit.
Niemand möchte sich schlecht oder ausgeschlossen fühlen und wenn etwas mehr Rücksicht und Verständnis herrschen würde, wäre es für alle etwas leichter. Jeder ist anders und das ist auch gut so. Wie langweilig wäre es, wenn wir alle gleich wären? Wichtig ist aber natürlich auch, dass man versteht, wie man selbst tickt und das akzeptiert, auch wenn es nicht so ist, wie das Umfeld. Das kann man im Verlauf dann auch bei Debbie beobachten. Als ihr klar wird, dass sie Introvertiert ist, ändert sich in ihrer Gefühlswelt einiges. Das war wirklich toll zu sehen und sehr schön dargestellt. Eingeflochten in die Geschichten ist auch, wie es Debbie mit ihrem Freund Jason geht, der im Gegensatz zu ihr eher extrovertiert ist. Er ist für sie eine Art Anker bei gesellschaftlichen Events. In seiner Gegenwart fühlt sie sich gut und sicher und wenn er die Unterhaltungen führt, ist Debbie nicht beleidigt, sondern dankbar. Die beiden funktionieren gut zusammen, vor allem weil Jason eben auch akzeptiert, wie Debbie ist und sie nicht drängt, mehr aus sich rauszugehen oder so.

Fazit

Ein wirklich schönes Buch, das nachdenklich stimmt, Emotionen transportiert, auch mal zum Schmunzeln bringt und insgesamt sehr authentisch wirkt. Illustrationen und Text funktionieren super zusammen, all die Facetten der Gedanken und Gefühle wirken intensiv, trotz der geringen Wortmenge. Es ist ein eher ruhiger Verlauf, es geht hier ja aber auch um Alltagssituationen und darum, wie Debbie sich dabei fühlt, wie sie sich durchschlägt und was sie über sich selbst erfährt. Betroffenen macht dieses Buch bestimmt auch Mut, mehr zu sich selbst zu stehen und sich als introvertiert zu akzeptieren. Nichts ist falsch daran, Ruhe mehr zu mögen, als laute Parties.
Für mich war es ein neues Erlebnis mit einer Graphic Novel. Es wird sicher nicht mein bevorzugtes Genre, aber es war eine tolle Erfahrung und mich hat der Inhalt des Buches auf jeden Fall total erreicht.


4 Gedanken zu „[gelesen] Quiet Girl von Debbie Tung“

  1. Hallo liebe Dana,
    ich war gerade total überrascht, deine Rezension zu Quiet Girl auf dem Blog zu lesen. Ich wusste gar nicht, dass du das Buch auf dem SuB hattest. Ich habe es ja auch gelesen und kann deine Begeisterung nur vollumfänglich teilen. Ich finde die Autorin hat präsentiert ihre Themen auf eine ganz wundervolle Art. Ein wenig Humor und zugleich sehr viel Tiefe und dennoch eine gewisse Lockerheit.

    Quiet Girl war auch mein erstes Buch von Debbie Tung. Danach folgte Book Love, das ich dir an dieser Stelle auch nur von ganzem Herzen empfehlen kann. Demnächst wird ein weiteres Buch von ihr erscheinen. Ich habe fest vor es auch zu lesen.

    Planst du weitere Bücher von der Autorin zu lesen?

    Ganz liebe Grüße
    Tanja :o)

    1. Hallo Tanja,
      eigentlich war Quiet Girl auch wirklich eher eine spontane Entscheidung. Ich hatte es aus der Bibliothek mitgenommen und neulich Abend hatte ich Lust darauf. Durch die vielen Illustrationen ist es ja auch wirklich super schnell gelesen 🙂

      Es ist wirklich beeindruckend gewesen, mit wie wenigen Worten die Autorin es schafft, die Botschaften rüberzubringen. Natürlich unterstützen die Bilder das eben auch gut. Aber trotzdem einfach beeindruckend, wie gut das funktioniert und wie intensiv man mitfühlt.

      Ganz fest eingeplant habe ich weitere Bücher jetzt nicht, ich schließe das aber auch nicht aus, weil es mir wirklich gut gefallen hat 🙂 Vermutlich wird es wieder eher so ein, wenn es mir in die Hände fällt 😉
      Liebe Grüße,
      Dana

  2. Hallo liebe Dana 🙂

    Bereits mit deiner Schlagzeile „Graphic Novel mit Tiefgang“ hast du mich sehr neugierig gemacht. Bei mir steht das Buch noch auf der Wunschliste, seit ich nach durch Heartstopper meine Liebe zu Graphic Novels entdeckt habe. Inhaltlich klingt das einfach richtig gut – vielleicht sollte ich auch mal wieder einen Abstecher in meine Bücherei machen und nachsehen, ob der Titel vorrätig ist.

    Liebe Grüße
    Lisa von Prettytigers Bücherregal (Blog & Instagram)

    1. Hallo Lisa,
      ich habe Heartstopper die ersten drei Bände im Juni aus der Bibliothek ausgeliehen und gelesen. Das ist vom Stil ja schon sehr minimalistisch, aber trotzdem schön gemacht und ich mochte, dass die Handlung dann über die Bücher auch mehr Tiefe bekommt.
      Quiet Girl ist vom Stil auf jeden Fall auch minimalistisch, was die Zeichnungen angeht, aber ich mochte die Botschaften wirklich sehr. Ich drücke dir die Daumen, dass deine Bibliothek das Buch vielleicht auch hat. 🙂
      Liebe Grüße,
      Dana

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