[gelesen] Hey, ich bin der kleine Tod…aber du kannst auch Frida zu mir sagen von Anne Gröger

Rezensionsexemplar

©dtv
Hey, ich bin der kleine Tod… aber du kannst auch Frida zu mir sagen

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Anne Gröger
erschienen September 2021
Altersempfehlung: ab 10 Jahren
208 Seiten
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dtv
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das Leben lernen, begleitet vom kleinen Tod

Samuel hat den Großteil seines bisherigen Lebens im Krankenhaus verbracht. Er musste sich schützen vor allen möglichen Gefahren und Krankheitserregern, denn all das kann ihn so schlimm krank machen, dass er sterben könnte. Als er endlich, nach vielen Therapien, das Krankenhaus verlassen darf, ist er deswegen besonders vorsichtig. Die Welt entdecken, jetzt, da er es kann? Nein, auf keinen Fall, da lauern überall Gefahren und Keime! Er verzichtet also komplett darauf rauszugehen – alles viel zu gefährlich. Mit anderen Kindern spielen? Nein danke,ebenfalls viel zu gefährlich. Obwohl er es jetzt könnte, verweigert Samuel sich, zu Leben. Bis plötzlich Frida vor ihm steht und er sich notgedrungen darauf einlässt, ihr ein bisschen was zu zeigen. Samuels Ziel ist es, Frida wieder loszuwerden und dass so schnell es geht. Doch Frida hat andere Pläne. Und am Ende müssen beide einsehen, dass manche Planänderung viel schöner ist, als die ursprüngliche Idee.

Nach dem Lesen des Buches war ich etwas zwiegespalten und es fällt mir schwer zu sagen, wie es mir genau gefallen hat. Es gibt wirklich viele tolle Aspekte in dem Buch, es gibt aber auch Dinge, mit denen ich hadere, besonders auch in Hinblick auf das empfohlene Lesealter. Was zum einen daran liegt, dass ich mir nicht sicher bin, wie sehr Kinder mit 10 Jahren schon „um die Ecke denken“, wie viel sie hinein interpretieren und ob es wirklich nötig ist, ihnen immer wieder „Mordfantasien“ unter die Nase zu reiben.

Etwas detaillierter:
Samuel kennt eigentlich nur das Leben im Krankenhaus. Für den Elfjährigen stellt es eine große Herausforderung dar, sich jetzt dem „normalen“ Leben zu stellen, mit all den Gefahren, Unfallrisiken und Keimen. Während seiner Krankheitsgeschichte konnte er sich nämlich wunderbar damit beschäftigen, wobei man statistisch gesehen am häufigsten stirbt oder sich schwer verletzt. Sein Entschluss steht demnach fest: er verlässt einfach das Haus nicht, da kann ihm schon mal weit weniger passieren. Diese Reaktion fand ich nachvollziehbar, schließlich musste er all die Jahre aufpassen, dass ihm nichts passiert, er nicht krank wird, immer wieder um sein Leben kämpfen. Andererseits nutzt er die Chance auf sein neu gewonnenes Leben damit natürlich auch so gar nicht – bis Frida kommt. Frida, die sich als kleiner Tod vorstellt und damit eine Auszubildende des großen Tods ist. Kann man vom Tod lernen, wie leben geht? Man möchte vielleicht denken: nein, wie soll das gehen. Aber durch das ungleiche Gespann, gelingt es tatsächlich Samuel aus seinem Schneckenhaus zu holen – einen Aspekt den ich an sich wirklich mochte. Wodurch er Frida zeigt, wie es ist ein Mensch zu sein, was wichtig ist, woran man denken muss, was die Dinge zu bedeuten haben, die sie fühlt und so weiter, lebt er ganz automatisch mit, überschreitet vorher gesetzte Grenzen, lernt neue Leute kennen und erlebt Sachen, die er bisher nie machen konnte. Wie sie sich gegenseitig anstacheln, teilweise auch aufziehen und miteinander agieren mochte ich. Etwas bitterer Beigeschmack dabei ist allerdings, dass Frida immer wieder überlegt, was sie noch gefährliches machen können, damit sie Samuels Seele möglichst bald mitnehmen kann. Das ist schon makaber. Nun ist es für mich, als erwachsene Leserin, nicht das Problem das zu selektieren und für mich das rauszuziehen, was teilweise nur zwischen den Zeilen steht und eben Frida auch einfach als unerfahren und nicht zwingend böse zu sehen, gelingt das aber auch den jungen Lesern?
Es gibt schon witzige Passagen im Buch, kuriose Erlebnisse, schräge Versuche, die missglückte Situation zu retten und ganz nebenbei gewöhnen die beiden sich so aneinander, dass eine Freundschaft entsteht. Die Erkenntnisse, die Frida zum Thema Freundschaft auf ihre Spickzettel schreibt, mochte ich besonders. Das ist wirklich mitten aus dem Leben gegriffen. Auch wenn der Hintergedanke, wieso sie diese Freundschaft will, eher düster bleibt.

Leben und Tod ist unvereinbar und auch Kinder kommen leider immer wieder damit in Berührung. Sich sein Leben zu „verbieten“, nur um keine Gefahr einzugehen, das ist sicher nicht der richtige Weg. Und Samuel erlebt so viel, was er vorher als zu gefährlich empfand und hat größtenteils dann auch Spaß daran, die Welt zu entdecken. Mit Frida wird es auch wahrlich nie langweilig. Man könnte vielleicht auch im übertragenen Sinne sagen, der Tod steckt in allen Dingen oder kann einen überall erwarten, nicht nur dort, wo man es für wahrscheinlich hält, aber ebenso kann man auch einfach tolle Erfahrungen sammeln, ohne dass dabei etwas passieren muss.

Das Buch ist super schön illustriert. Durch die Bilder wird die Handlung sehr lebendig und ich fühlte mich, als wäre ich stets mit dabei, wenn Samuel und Firda wieder neues erleben, wenn Frida neuen Unsinn anstellt und einfach mal testet, was alles so möglich ist. Für sie ist es das erste Mal auf der Erde, sie kennt also selbst die grundlegenden Dinge nicht, das führt immer wieder auch zu witzigen Situationen und insgesamt wird schon eine gewisse Leichtigkeit im Buch aufrechterhalten, obwohl es ja durchaus ein ernstes Thema ist, das da mitschwingt. Es gibt viele schöne Entwicklungen, besonders der Aspekt der Freundschaft und auch die Änderungen innerhalb der Familie haben mir gut gefallen. Es wird nicht nur Samuels Seite beleuchtet, auch wenn er im Mittelpunkt steht, auch wie seine Eltern sich fühlen, fließt mit ein – ein Punkt, den ich wichtige finde, denn ein krankes Kind zu haben, ist für Eltern eine emotionale Herausforderung, die ihnen auch mental und körperlich oft einiges abverlangt.
Die anderen Personen, die Samuel und Frida kennenlernen, wurden insgesamt nicht so intensiv behandelt. Bei den beiden Pfadfinder-Kids fand ich das schade, weil auch sie ihre Päckchen zu tragen hatten, aber das hätte vermutlich auch einfach den Rahmen gesprengt.

An sich mochte ich auch den Schreibstil und auch die Charaktere an sich haben mir gefallen und waren definitiv mal anders, als man sie sonst oft erlebt. Die Geschichte liest sich sehr flüssig, die Handlung geht schnell voran, es gibt immer wieder Chaos und neue Probleme, aber auch schöne Erkenntnisse und tolle Erlebnisse. Trotzdem ist der Aspekt „wie bringe ich Samuel am besten in Gefahr“ irgendwie schwierig… Aus Fridas Sicht kann man das sicher verstehen, schließlich denkt sie, dann hat sie ihre Aufgabe schneller erfüllt. Auf ihrem Weg, das Leben zu lernen, muss auch sie selbst viel lernen, erkennen und verstehen. Ihren Erkenntnisprozess an sich mochte ich auch. Man könnte ihre Gedanken zu „was ist schön gefährlich“ vielleicht auch auf die Weise interpretieren, dass eben viele Dinge gefährlich sein können, es aber nicht zwingend immer sind, nicht nur weil Frida nicht so eingreifen kann, wie sie gern will, sondern weil vielleicht auch viel Zufall oder Pech nötig wäre. Allerdings denke ich, das sind alles eher Gedanken, die ich mir als Erwachsene mache.

Am Ende bleibt es für mich schwierig, das Buch wirklich einzuschätzen… Sich mit dem Thema Tod, Sterben und Krankheit auseinander zu setzen, finde ich schon wichtig. Das muss natürlich jeder dann auch für sich oder sein Kind beurteilen, ob das passend ist und verarbeitet werden kann. Möglicherweise kann es auch dabei helfen, wenn man als junger Leser selbst von Krankheit betroffen ist bzw. war, wieder mehr Mut zu fassen, das Leben anzugehen und sich nicht zu verstecken, denn es gibt viel zu erleben und vielleicht muss man sich ein Stückweit auch mit dem Tod anfreunden, um das Leben genießen und nutzen zu können.

Fazit

Ein Kinderbuch, das ein eher bedrückendes Thema mit einer gewissen Lockerheit und auch einer ordentlichen Portion Witz kombiniert. Viele der Entwicklungen, besonders die Aspekte rund um Freundschaft, innerhalb der Handlung mochte ich und ich finde es an sich auch gut, dass Krankheit und Tod nicht nur bedrückend und erschlagend dargestellt worden sind, damit auch jüngere Leser einen besseren Zugang zu den Themen finden. Dennoch finde ich den Gedanken, den Frida ja immer wieder einwirft, irgendwie schwierig.


bis

Ich danke dem Verlag für das bereitgestellte Rezensionsexemplar.

2 Gedanken zu „[gelesen] Hey, ich bin der kleine Tod…aber du kannst auch Frida zu mir sagen von Anne Gröger“

  1. Hallo liebe Dana,

    ich kann verstehen, weshalb es dir nicht ganz leicht fällt, das Buch zu bewerten. Das Thema ist für ein Kinderbuch doch recht sensibel, auch wenn es Betroffenen vielleicht helfen kann, mit der Situation etwas besser umzugehen.Die Idee dahinter finde ich also definitiv gut. Wie du schon schreibst muss aber wohl jeder selbst wissen, ab welchem Alter sich das eigene Kind mit den Themen Tod, Krankheiten und Sterben auseinandersetzen kann und möchte. Auf jeden Fall wieder eine sehr schöne (und umfangreiche!) Buchbewertung von dir!

    Liebe Grüße
    Lisa von Prettytigers Bücherregal (Blog & Instagram)

    1. Hallo Lisa,
      danke für deine Worte 🙂 Mir war es einfach wichtig, möglichst genau zu sagen, wie es mir beim Lesen ging, ohne jetzt alles zu spoilern. Aber ich glaube, man muss bei diesem Buch eben wirklich überlegen und für sich selbst einschätzen, worauf der Schwerpunkt für einen selbst liegt. Oder eben dann mit den jungen Lesenden darüber sprechen… Es wird ja sicher auch jedes Kind anders aufnehmen, je nachdem, was für Erfahrungen schon gemacht wurden. Der eine wird sich eher über die entstehende Freundschaft freuen, der nächste legt seinen Fokus auf etwas anderes…
      Es ist definitiv ein sensibles Thema.
      Liebe Grüße
      Dana

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