[gelesen] Mein geniales Leben von Jenny Jägerfeld

 Rezensionsexemplar

© Verlag Urachhaus

Mein geniales Leben

Jenny Jägerfeld
erschienen im Februar 2021
358 Seiten
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Urachhaus
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Beliebt werden vs man selbst sein

Nach einem Umzug sieht der 12-jährige Sigge seine Chance für einen Neustart an der neuen Schule. Ihm bleiben noch 59 Tage der Sommerferien, um einen Plan zu fassen, wie er beliebt werden kann…

Beim Lesen wusste ich zwischendurch nicht, was ich von dem Buch halten soll. Am Anfang fand ich es recht zäh, am Ende hat es mir ganz gut gefallen. Allerdings gibt es thematisch einige Aspekte, die ich schwierig fand.

Sigge wurde an seiner alten Schule extrem gemobbt. Er hat Eiskunstlauf gemacht und wurde deswegen als Schwuchtel beschimpft. Freunde hatte er nicht.
Seine Konsequenz daraus ist, sich über die Sommerferien so zu verändern, dass er an der neuen Schule ein beliebtes Kind sein wird. Ein nachvollziehbarer (aber auch sehr trauriger) Gedanke.
Was mich daran aber stört, ist die Art, wie das Mobbing in die Geschichte eingebunden ist. Sigge erinnert sich an verschiedene schlimme Erlebnisse und Beschimpfungen. Da er aber niemandem davon erzählt, gibt es keinerlei Konsequenzen – außer halt der, dass Sigge sich schlecht und falsch fühlt. Sogar sein geliebtes Hobby hat er aufgegeben, weil er es für unangebracht für Jungen hält.

Wie wird man nun also beliebt in 59 Tagen? Sigge probiert verschiedene Dinge aus, von denen er sich Beliebtheit verspricht. Verändertes Verhalten, veränderte Optik, angepasste Sprache. Dabei bekommt er von seinem Umfeld zum Glück immer mal wieder die Rückmeldung, was für ein toller Junge er ist – genau so, wie er ist. Zudem gibt ein Erwachsener, dem er sich anvertraut, ihm auch den Denkanstoß mit, was denn Freundschaften wert sind, für die man sich völlig verändern muss…
Diesen Entwicklungsprozess macht Sigge dann im Verlauf auch, sodass er sich zum Glück nur wenig verändert und dafür stattdessen erkennt, dass Freundlichkeit und Ehrlichkeit wichtiger sind als Coolness und witzige Sprüche.

Neben dem Thema der Selbstfindung, Selbstvertrauen und Freundschaft, steckt noch viel anderes in der Geschichte, was durchgängig mitschwingt: Existenzsorgen der Mutter wegen Arbeitslosigkeit, die Situation mit den Vätern der Kinder, allgemein der Wert von Familie.

Die Familienkonstellation fand ich interessant: Die drei Kinder stammen von zwei verschiedenen Vätern, von denen nur einer überhaupt zwischendurch mal präsent ist. Sigge hat zwei Schwester, die eine spricht nicht, die andere durchgängig viel zu laut. Mutter und Kinder ziehen bei der Großmutter ein, die genug Platz hat, da sie ein kleines Hotel führt. Diverse Haustiere gibt es auch noch.
Die Großmutter ist von der flippigen Art, fährt Autorennen und sammelt ausgestopfte Tiere, die überall im Hotel stehen. Dies fand ich anfangs sehr befremdlich, es gibt allerdings eine gute Erklärung dafür. Keine vernünftige Erklärung kann ich allerdings dafür finden, dass die ältere Dame ununterbrochen raucht, auch im Beisein der Kinder, während sie deren Essen zubereitet etc. …
Des Weiteren wohnt in dem Hotel noch ein Langzeitgast. Ein „Filmemacher“. Das ganze Buch hinweg schildert er der Familie immer wieder seine Filmideen, die durchgängig brutal, blutig und eklig sind, weil entweder schwere Unfälle, Mord oder menschenfressende Raubtiere enthalten sind.

Die Grundstory hat mir gefallen: Sigges Weg vom Wunsch nach Beliebtheit, seine Versuche, sich zu verbiegen bis zur Erkenntnis, dass dies vielleicht gar nicht der richtige Weg ist.
Am Anfang passiert nicht so wahnsinnig viel. Sigge recherchiert über Beliebtheit und macht seine ersten Versuche. Die erste Hälfte empfand ich als etwas zäh. Dann gibt es eine Veränderung, die auch bei Sigge nochmal neue Denkprozesse in Gang bringt und die Geschichte für mich sehr positive verändert hat.
Sigges Schwestern fand ich beide auf ihre Art sehr zauberhaft, mit der flippigen, dauerrauchenden Großmutter konnte ich hingegeben nicht ganz so viel anfangen und die brutalen Filmideen des Hotelgastes waren mir in der Masse zu viel und unangebracht blutig und grausam für ein Kinderbuch für kleine Leser/innen ab 10 Jahren.

Fazit

Ich würde nur eine eingeschränkte Leseempfehlung aussprechen. Die Geschichte um Sigges Entwicklung fand ich grundsätzlich gelungen. Es geht um Selbstzweifel und Selbstfindung, darum Selbstvertrauen zu erhalten und zu sich selbst zu stehen. Darum Freunde zu finden und Freundschaften zu pfelgen.
Allerdings gibt es mehrere Aspekte, die mir für die Altersgruppe in ihrer Ausführung nicht so gut gefallen haben, vor allem die extreme, aber unbearbeitete Ausprägung des Mobbings sowie die wiederkehrenden brutalen Sequenzen durch den Filmemacher.

Ich danke dem Verlag sowie NetGalley für das bereitgestellte Rezensionsexemplar.

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