[gelesen] Rosen & Kristalle von C. R. Scott

Rezensionsexemplar

©Impress
Rosen und Kristalle

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Autorin: C. R. Scott
erschienen im Januar 2021
491 Seiten
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Impress (Carlsen)
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viel Potenzial verschenkt

Am Königshof aufzuwachsen und Prinz oder Prinzessin zu sein, ist vermutlich der Traum einiger Menschen. Und das Leben im Schloss hat gewiss einige Vorteile. Man hat alles, was man braucht, man wird umsorgt, beschützt und auf das zukünftige Leben als Thronfolger vorbereitet. Es bringt aber auch viele Pflichten und einige Entbehrungen mit sich, wenn man nicht frei entscheiden kann, was man aus seinem Leben machen,wohin man gehen und mit wem man sein weiteres Leben verbringen möchte.
Während es für Hexe Maro zur Lebensaufgabe geworden ist, alles dafür zu tun, um später eine gute Herrscherin zu sein und es für sie damit auch leichter ist, Einschränkungen und Verpflichtungen hinzunehmen, fällt es ihrer Schwester Lina als Zweitgeborene deutlich schwerer. Denn für sie ist es nicht vorgesehen Königin des Rosenreiches zu werden, alle Einschränkungen gelten für sie jedoch trotzdem.
Auch der Prinz des Kristallreiches hadert mit einigen Traditionen und hat sich in den Kopf gesetzt, Dinge zu ändern, sobald er den Thron besteigt. In den beiden Hexenschwestern könnte er Verbündete finden, denn ihre Interessen und Vorstellungen gehen in vielen Bereichen in eine ähnliche Richtung. Doch für die jungen Königssprosse gibt es einige Hindernisse, die den gemeinsamen Weg deutlich schwieriger machen, als sie es sich vorgestellt haben.

Die Welt, in der diese Märchenadaption spielt, hat mir gut gefallen, ich wäre aber gern noch intensiver eingetaucht. Es gibt unterschiedliche Reiche, die seit dem letzten dramatischen Krieg in Frieden miteinander leben. Jedes Land hat seine Traditionen und Besonderheiten. Während die einen sehr fruchtbare Böden haben, haben die anderen wertvolle andere Rohstoffe oder ungewöhnliche Tiere. Neben den normalen Menschen gibt es Zauberer, die sich zu einem Bund zusammengeschlossen haben, Hexen, die im Rosenreich zu Hause sind und Scharfsinnige im Kristallreich. Das Setting ist insgesamt eher mittelalterlich anmutend, mit einer ordentlichen Portion Magie und Zauberei. Im Verlauf der Handlung erfährt man auch etwas zur Entstehungsgeschichte der Reiche und wie es kommt, dass Scharfsinnige und Hexen nicht überall ansässig sind. Die Welt an sich ist facettenreich und bietet unglaublich viel Potenzial, das nur leider nicht so richtig genutzt wurde. Ich hätte in vielen Punkten so gern mehr erfahren, aber besonders die Reiche, aus denen die Protagonisten nicht kommen, bleiben insgesamt eher blass.

Die Geschichte wird größtenteils aus den Ich-Perspektiven von Lina und David geschildert. Darüber hinaus entführen einen einige Kapitel zu dem König eines der anderen Reiche. Die Handlungsstränge laufen teilweise getrennt voneinander, sie bedingen sich jedoch sehr viel und besonders in den Passagen von Lina und David gibt es immer wieder Überschneidungen, die die Königskinder sich im Verlauf des Buches kennenlernen.
David ist 19 und als Scharfsinniger geboren, was bedeutet, dass seine Sinne alle deutlich besser ausgeprägt sind, als bei normalen Menschen. Manchmal kann das eine Qual sein, in vielerlei Hinsicht ist es aber natürlich auch ein enormer Vorteil. Seine Wahrnehmung empfand ich als beeindruckend und es verrät dem Kristallprinzen so einiges über seinen Gegenüber. Er junge Prinz hat gute Absichten und ich mag die Ideen, die er umsetzen möchte. Selbst wenn er bei seinem Vater, nicht immer auf Zuspruch trifft, lässt er sich von seinen Zielen nicht so einfach abbringen. Für ihn ist es an der Zeit, dass sich das eine oder andere ändert – ein so schöner Ansatz, der für meinen Geschmack dann aber sehr schnell und etwas zu unkompliziert abgehandelt wurde, als es soweit war.
Maro, die im gleichen Alter ist, wie David, und Lina sind Hexen und durch ihre Fähigkeiten unglaublich mächtig. Nicht mal die Zauberer können ihnen das Wasser reichen. Den Unterschied in der Ausübung der Magie empfand ich als interessant und gut dargestellt. Maro ist durch ihr freundliches, eher zurückhaltendes Wesen ausgezeichnet, aber auch sie strebt einige Veränderungen an und lässt sich von den Ideen von David schnell mitreißen. Gemeinsam könnten sie einiges bewirken.
Lina ist ganz anders, als ihre Schwester. Sie ist ein wenig jünger und verspielter, aber auch launischer, manchmal richtig stur und benimmt sich nicht immer, wie es sich für eine Prinzessin ziemt. Als Zweitgeborene wird sie regelmäßig „vergessen“, ihre Meinung ist nicht so gefragt und sie fühlt sich immer wieder ausgeschlossen und missachtet. Unbedachte Äußerungen, unverfrorene Wünsche und Freizeitbeschäftigungen, die ihr eigentlich verboten sind, stehen bei ihr eher an der Tagesordnung als brav zum Tanzunterricht zu gehen – an sich mag ich das, weil man sich nicht immer einfach in Muster pressen lassen sollte, die nicht zu einem passen. Und ich konnte auch gut nachvollziehen, wieso sie sich eingeengt und eingesperrt fühlt und sie deswegen auf ihre Weise rebelliert. Aber manchmal war sie mir in ihrem Verhalten auch etwas zu extrem… sie reitet immer wieder darauf rum, wie ungerecht alles ist und alles geht immer nur gegen sie, manchmal ist sie aber auch einfach sehr naiv und aufgedreht. Auch die Wendungen und Entwicklungen in ihrem Fall kamen mir insgesamt gesehen etwas schnell und überhastet.

Zum Ende des Buches wird die Handlung sehr turbulent und actionreich, bis dahin plätschert die Geschichte größtenteils leider eher dahin und es gibt viele Passagen, in denen mir einfach zu wenig passiert ist, vor allem weil es dann am Ende so Schlag auf Schlag geht. Zwar ist es nicht uninteressant mitzuerleben, wie die Protagonisten sich kennenlernen und gegenseitig ihre Fähigkeiten unter die Lupe nehmen, wie sich dabei freundschaftliche und auch tiefere Gefühle entwickeln und sie eine Basis schaffen, auf der sie in der Zukunft, auf dem jeweiligen Thron, sicher aufbauen könnten, aber irgendwie hätte ich mir mehr Spannung oder intensivere Emotionen gewünscht oder schon mal eine kleinere Wendung, bevor dann im letzten Abschnitt des Buches alles zusammenbricht und neu sortiert werden muss. Die Vorarbeit zum großen Knall ging mir einfach zu langsam und wenig ereignisreich voran. Zumal die Entwicklung, die für einige scheinbar sehr überraschend kam, schon Kapitel davor total vorhersehbar und damit für mich als Leserin nur wenig unerwartet gewesen ist. Als es dann temporeicher wurde, hätte so viel passieren können… und einiges ist auch passiert, aber auch hier wurde aus meiner Sicht sehr viel Potenzial verschenkt. Die Auflösung einiger Probleme ging ähnlich flott, wie alles zusammenbrach. Anderes brauchte zwar mehr Zeit und war nicht ganz so unkompliziert, aber alles in allem war es für mich vom Verhältnis einfach nicht so richtig stimmig. Hätte man den Anfangsteil zum Beispiel etwas kürzer und knackiger gestaltet, hätte man sich später mehr Zeit lassen können für die Dinge, die mehr Zeit erfordern sollten. Aus Spoilergründen kann ich das jetzt nicht zu detailliert ausbauen, einige Handlungsverläufe konnten mich aber einfach nicht so komplett überzeugen oder wirkten unrealistisch im Zusammenspiel der vergangenen Zeit und der vorherigen Ereignisse.

Fazit

Gute Grundidee, tolles Setting, schöne Handlungsansätze, an sich auch interessante Protagonisten, die bereit sind für ihre Ziele und Veränderungen einzustehen auch wenn sie damit anecken, aber aus meiner Sicht viel verschenktes Potenzial. Einige Bereiche der Welt blieben mir zu blass, obwohl es sehr interessant gewesen wäre, da mehr zu erfahren. Die turbulente, dramatische Wendung hätte für meinen Geschmack mehr im Fokus stehen dürfen und weiter ausgebaut werden können. So wirkte es zu Beginn sehr ruhig und stellenweise fast langatmig, hintenraus war es etwas überstürzt und hastig, wodurch auch ein Teil der Emotionen auf der Strecke blieb.
Für meinen Geschmack verrät auch der Klappentext deutlich zu viel von der Geschichte, die man dann im Buch erlebt.

Ich danke dem Verlag und Netgalley für das bereitgestellte Rezensionsexemplar.

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