[gelesen] Diese eine Lüge von Dante Medema

Rezensionsexemplar

©Thienemann-Esslinger
Diese eine Lüge

.
Autorin: Dante Medema
erschienen im Oktober 2020
384 Seiten
.
hier geht’s zum Verlag
Thienemann-Esslinger
.

besonders und berührend, aber nicht komplett überzeugend

Es ist wie ein Sturm, der über sie hinweg fegt
Dinge anstößt,
umstößt,
umwirft,
durcheinander wirbelt
und sie aufgewühlt und zerzaust zurück lässt
gefangen in ihren wirren Gedanken,
in dem Schmerz,
in all dem, was sie verloren zu haben glaubt
und doch mit der Bestätigung,
dass es anders ist,
wie sie es erwartet hat
aber doch anders
als sie es erwartet hat
(©Dana)

Cordelia ist auf der Suche nach ihren Wurzeln. Bei einem Schulprojekt für ihren Abschluss, für das sie ihre Gene analysieren lässt, findet sie heraus, dass ihr Vater nicht ihr Vater ist. Eine Information, die sie verständlicherweise ziemlich aus der Bahn wirft, obwohl sie schon lange vermutet hatte, dass sie anders ist, als der Rest ihrer Familie. Während der Suche nach ihrer Herkunft begibt sie sich auch auf eine Suche nach sich selbst.

Dieses Buch ist definitiv etwas Besonderes, schon allein aufgrund des Stils, in dem es sich präsentiert. Weite Strecken der Geschichte sind in Gedichtform geschrieben und sorgen für einen völlig anderen Lesefluss und ein ungewohntes Empfinden beim Lesen, als man es in anderen Büchern hat.
Protagonistin Cordelia schreibt selbst gern Gedichte und will auch ihr Schulprojekt, durch das sie die Nachforschungen überhaupt angestellt hat, in lyrischer Form anfertigen. Damit hat man eine direkte Verbindung zwischen der Figur und dem Stil, in dem die Handlung präsentiert wird, die ich an sich zwar mochte, die mich aber trotzdem nicht restlos überzeugen konnte.
Die anderen Passagen des Buches werden in Form von E-Mail-Kommunikation und dem Austausch von Handynachrichten über Messangerdienste dargestellt. Eine reine Textform, wie man es in den meisten anderen Werken findet, gibt es hier also gar nicht, allerdings hätte ich persönlich mir diese ab und an gewünscht. Durch die ständige Nutzung der Gedichte war es für mich irgendwann nichts so besonderes mehr bzw. die Gedichte, die ich wirklich sehr intensiv und berührend fand, sind im Gesamtkontext fast ein wenig untergegangen, da es immer wieder Abschnitte gab, in denen für mich zu wenig rüberkam. In diesen Passagen wurde mein Lesefluss durch die Gedichtform eher behindert und ins Stocken gebracht, als dass ich es als wirklich sinnvoll empfunden habe. Natürlich geschieht auch in diesen Szenen etwas, aber es sind eher Erzählungen dessen, was gerade passiert, zum Beispiel dass sie Abendbrot essen, wer vielleicht sauer auf wen ist und warum, mit wem sie unterwegs ist oder Ähnliches. Da fehlte es mir teilweise an Inhalt und Emotionen und damit fehlte mir auch irgendwie ein Grund, das in ein Gedicht zu packen. Diese Textstücke wären für mich in einer „normalen“ schriftlichen Form vermutlich viel angenehmer gewesen. Man wäre trotzdem auf dem aktuellen Stand gewesen, hätte gewusst, was gerade passiert ist und wo es Streit gab und dann hätte im Anschluss eines der bewegenden Gedichte kommen können, das zum Ausdruck bringt, wie zerrissen und aufgewühlt Cordelia ist. So hätte das Buch für mich definitiv besser funktioniert. Denn es gibt wirklich sehr, sehr schöne, berührende Momente in der Handlung, in denen ich mich richtig gut in Cordelias Situation und ihre Gefühle hineinversetzen konnte, in denen sie mich mit ihren Gedanken und Gedichten total abgeholt und mitgenommen hat. Das Spiel mit den Worten, ihre Vergleiche und Metaphern waren stellenweise wirklich großartig und tiefgründig. Dieser Eindruck wurde durch den Rest rundrum aber teilweise abgeschwächt, was ich total schade fand, weil ich das Thema der Identitätsfindung und das Herausfinden der eigenen Wurzeln usw. wichtig und auch bedeutungsvoll finde. Es werden innerhalb der Geschichte einige tolle Botschaften transportiert.

Man könnte jetzt vielleicht den Eindruck bekommen, ich habe generell etwas gegen Gedichte, aber so ist es nicht. Ich schreibe selbst auch Gedichte, meistens zwar bezogen auf Anlässe wie Hochzeiten, Geburtstage oder solche Dinge, aber auch aus anderen Gründen und über andere Themen (wie zum Einstieg in diese Rezension). Einige sind emotionaler, andere auch einfach lockerer oder witzig. Es ist also nicht so, dass ich Gedichte nicht mag oder keinen Bezug zu ihnen habe, im Gegenteil, aber dennoch haben mich einige der im Buch präsentierten einfach überhaupt nicht erreicht oder mitgenommen.
Neben Cordelia sind weitere Figuren in die Handlung integriert, mit denen sie auf unterschiedliche Weise kommuniziert. Einige der Gespräche verarbeitet sie in ihren Gedichten, der andere Austausch findet über Mails oder das Handy statt.
Die Passagen mit den Chatverläufen und den ausgetauschten E-Mails mochte ich gern. Die direkte oder etwas zeitverzögerte Kommunikation ist noch mal was anderes, als normale Gespräche und passte zum einen gut zu den jungen Charakteren, aber auch dazu, dass man sich in der Familie oder im Freundeskreis eben durchaus auch mal Nachrichten schickt, um an Sachen zu erinnern, auf irgendwas hinzuweisen oder zu fragen, wo der andere sich befindet oder wie es einem gerade geht.
Dass es für Cordelia gerade keine leichte Zeit ist und sie durch die aufgewühlten Gefühle, ihre Ängste, Hoffnungen und Zweifel auch mal falsche Entscheidungen trifft und Menschen von sich stößt, die sie eigentlich bräuchte, empfand ich als nachvollziehbar. Sie muss sich über viele Dinge klar werden und weiß selbst einfach noch nicht so richtig, wo sie mit sich und ihren Gedanken hin soll. Dass auch die Menschen in ihrer Umgebung nicht perfekt sind, ebenfalls mal Fehler machen oder gemacht haben, ist authentisch und gehört zu Freundschaften und Familienleben einfach mit dazu. Besonders Kodiak empfand ich als interessanten Charakter, der selbst sein Päckchen zu tragen hat und Cordelia bei ihrer zermürbenden Suche trotzdem zur Seite steht.

Fazit

Dieses Buch lässt mich hin- und hergerissen zurück. Es gab einige Passagen, die mich sehr berührt haben und in denen mich die Autorin mit ihren Worten total mitgenommen und gepackt hat und ich sehr intensiv bei der Protagonistin war. Es gab aber dazwischen immer wieder Stellen, in denen mich die Gedichtform eher rausgebracht hat, ich den Stil als nicht so optimal für den Inhalt empfand und dadurch auch einfach kaum etwas bei mir ankam.
Auf der einen Seite eine wirklich tolle, bewegende Lektüre mit wichtigen Botschaften, auf der anderen Seite für mich persönlich einfach nicht durchweg überzeugend.

Ich danke dem Verlag für das bereitgestellte Rezensionsexemplar.

Schreibe einen Kommentar

(Kommentare werden von uns freigeschaltet.)

Mit dem Absenden des Formulars werden deine Nachricht sowie dein Name und deine Webseite (freiwillige Angaben) gespeichert. Weitere Informationen findest du in der Datenschutzerklärung.