[gelesen] Die Antwort auf vielleicht von Hendrik Winter

Rezensionsexemplar

© Bastei Lübbe
Die Antwort auf Vielleicht
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Autor: Hendrik Winter
erschienen Februar 2019
399 Seiten
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Bastei Lübbe

mehr philosophisch als emotional

Adam fährt ein sogenanntes Krebstaxi. Das bedeutet, er fährt schwerkranke Menschen über mehrere Wochen hinweg zur Chemotherapie. Eine dieser Patientinnen ist Jessi, eine junge Mutter. Auf jeder Fahrt lernen die zwei einander etwas besser kennen und bald bleibt es nicht mehr beim beruflichen Kontakt. Doch Jessis Zeit ist sehr begrenzt…

Bei diesem Buch hatte mich der Klappentext direkt angesprochen. Die Ausgangssituation versprach viele Emotionen. Leider hat mich das Buch aber nicht so berühren können, wie erhofft.

Jessi hat Krebs und ihre Chancen stehen sehr schlecht. Doch für ihre fünfjährige Tochter kämpft Jessi jeden Tag, um so lange wie möglich ein möglichst normales Leben zu führen. Sie hat schwache Momente, aber häufiger wirft sie ihren Mitmenschen klare Worte um die Ohren, ohne zu beschönigen, ohne um Mitleid zu heischen. Aber nicht nur Jessi bringt ihr Umfeld zum Umdenken, auch sie selbst erhält durch die Freundschaft zu Adam Input, der zu neuen Träumen führt, die sie gern noch verwirklichen würde.

Adam ist Tag für Tag von todkranken Menschen umgeben. Ein harter Job, der ihn mal mehr und mal weniger mitnimmt. Er selbst ist zwar gesund, dennoch steht sein Leben still. Das macht ihm aber erst Jessi wirklich bewusst. Und so wird die Handlung an vielen Stellen sehr philosophisch. Es geht um Träume im Leben. Um verpasste Chancen. Um das Aufschieben von Wünschen, das Verstreichenlassen von Möglichkeiten. Um Ausreden und falsche Prioritäten. Die Geschichte bietet Grübelpotential ohne Ende. Doch die Emotionen kamen mir dabei an vielen Stellen zu kurz. Wirklich gefühlsgeladen wurde es nur, wenn es um Jessis noch zu erreichende Ziele ging – die nicht jeder in ihrem Umfeld akzeptieren konnte.

Die Nebencharaktere sind sehr unterschiedlich. Eine liebevolle, aber vergessliche Großmutter, ein aufgewecktes Kind, besorgte Bikereltern, ein ätzender, erfolgsorientierter Arzt, dem der Blick für den Patienten als Mensch verloren gegangen ist, und eine Berliner Freundin, die nicht einen hochdeutschen Satz sprechen kann. Letztere fand ich etwas anstrengend, aber insgesamt war es interessant, wie all die Charaktere zu Jessi stehen und wie sie sich auch mit Fortschreiten der Krankheit entwickeln.

Erzählt wird die Geschichte aus der Ich-Perspektive von Adam. Zahlreiche Dialoge geben aber auch einen Einblick in Jessis Gefühlswelt. Der Schrebistil ist locker, flüssig und dank vieler ironischer und sarkastischer Kommentare stellenweise witzig.
Dabei konnte ich gerade Adams Handlungen nicht immer nachvollziehen. Durch seinen Job weiß er, wie kurz das Leben sein kann. Dennoch trifft er leichtsinnige Entscheidungen, die ihn unnötig in Gefahr bringen. Dadurch hadere ich besonders mit dem Ende des Buches.
Dass der Autor selbst Krebstaxi gefahren ist und einige der geschilderten Schicksale miterlebt hat, verstärk die vorhandene bedrückende Atmosphäre nachträglich.

Fazit

Meine Erwatungen einer gefühlsgeladenen Geschichte wurden nur bedingt erfüllt. Das Problem dabei ist, dass Jessis Schicksal eigentlich ja total berührend ist – die Gefühle aber einfach nicht bei mir ankamen. Zwar gibt es einige emotionale Momente, die philosophischen Gespräche dominieren deutlich. Die sich zart entwickelnde Liebesgeschichte konnte mich leider auch nicht ganz packen – für mich bleiben die beiden eher auf einer Freundschaftsebene. Neben einigen dramatischen Passagen und vielen intensiven Gesprächen plätschert die Handlung streckenweise etwas vor sich hin.
Dennoch hat mich das Buch nicht kalt gelassen, denn was die Geschichte definitiv hinterlässt, ist die Aufforderung, über das eigene Leben, über Ziele und Träume, nachzudenken. Warum Wünsche aufschieben, wenn man sie auch gleich verwirklichen könnte?! Wer weiß, wie viel Zeit noch bleibt. Heißt ‚vielleicht’ eher möglich oder unmöglich? Jessi und Adam haben verschiedene Meinungen dazu…

 
Nachdem ich eine halbe Stunde ratlos vor meinen Möhren saß, vergebe ich einfach 3,5 bis 4 Möhren.

Ich danke dem Verlag für das bereitgestellte NetGalley-Rezensionsexemplar.

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