[gelesen] Bettina Belitz – Vor uns die Nacht

© script 5

  Vor uns die Nacht
Autor: Bettina Belitz

erschienen März 2014
Verlag: script 5

schöner Grundgedanke, aber eine anstrengende Protagonistin
Ronia steht mitten im Leben – Anfang 20, erfolgreich im Studium, sicherer Freundeskreis, besorgte Eltern. Nur in der Liebe will es nicht so recht klappen. Als sie an Heiligabend verlassen wird, bricht eine kleine Welt zusammen, es öffnet sich jedoch durch die Begegnung mit dem geheimnisvollen River auch eine neue.
Hin und hergerissen zwischen Gefahr, Faszination und Verlangen beginnt ihr Leben sich komplett zu wandeln.Ronia ist die Tochter eines Pfarrers, wohlbehütet und umsorgt aufgewachsen und auch wenn sie nicht immer tut, was ihre Eltern sich wünschen, schlägt sie doch eher selten über die Strenge. Als River in ihr Leben tritt, ändert sich alles: langjährige Freundschaften werden auf die Probe gestellt, die gute Beziehung zu den Eltern, mit festen Besuchszeiten, fängt an zu kippen, das Studium wird vernachlässigt.

Die junge Studentin zeigt viele Facetten von frustriert über antriebslos bis hochmotiviert und überdreht. Diese Vielseitigkeit ist zwar schön, mir waren ihre Handlungen und Reaktionen allerdings häufig zu extrem. Eine Übersprunghandlung folgt der nächsten, teilweise ist Ronia für ihr Alter sehr naiv und nicht nachvollziehbar. Durch Kleinigkeiten gerät sie von einem Gefühlsextrem ins Nächste, ohne über Konsequenzen oder Motive nachzudenken.

Ronia ist zwar ein interessanter Charakter, so richtig eine Bindung zu ihr konnte ich jedoch nicht aufbauen. Einige ihrer Aktionen sind für mich nicht verständlich gewesen, sie hätte manchmal doch einfach etwas mehr nachdenken können, bevor sie gleich so überreagiert.

Jan, der auch als River bekannt ist, ist sehr geheimnisvoll und wirkt zunächst unnahbar. Als man ihn besser kennen lernt, entdeckt man jedoch, dass sich viel mehr hinter seinen hohen Mauern verbirgt, als man angenommen hat. Er ist ein sehr interessanter, junger Mann, der auch mich fasziniert hat.

Der Schreibstil an sich hat mir ganz gut gefallen. Die beschreibende Ausdrucksweise ermöglicht es, sich die Umgebung und Personen gut vorzustellen. Die Idee der Geschichte hat mich zum Nachdenken gebracht. Was ist der Sinn meines Lebens, was braucht ein Mensch zum glücklich sein, was sind Freundschaften wert, wann sollte man sich fügen, wann aufbegehren, was muss man einfach seinen eigenen Weg gehen und schauen, was daraus wird…

Durch die Ich-Perspektive von Ronia bekommt der Leser sehr intensive Einblicke in ihren Kopf und einen Überblick über ihr Gefühlschaos. Da ich mit der Protagonistin nicht so richtig warm geworden bin, waren mir diese Passagen häufig ein wenig zu ausführlich. Manchmal hätte ich Ronia gern an den Schultern gepackt und geschüttelt, damit sie ein wenig mehr nachdenkt, bevor sie handelt oder ihre Gedankenwelt komplett umstößt. Zum Glück findet Ronia im Verlauf doch wieder ein wenig zu sich selbst und es werden neue Wege geebnet, um glücklich zu sein. Dadurch wurde sie als Charakter für mich auch etwas angenehmer und ich konnte mich wieder mehr auf die Handlung einlassen.

Das Ende von „Vor uns die Nacht“ ist schön, nur der Weg dahin war mir einfach etwas zu steinig.


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