[gelesen] Joshua Jackelby von Benedict Mirow

Rezensionsexemplar

© Thienemann Esslinger
Joshua Jackelby
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Benedict Mirow
illustriert von Maximilian Meinzold, Timo Kümmel
erschienen im Oktober 2025
Verlagsempfehlung: ab 10 Jahren
400 Seiten
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Jacoby Stuart

atmosphärisch erzählt

In London im Jahr 1851 hat man es als Straßenjunge, der versucht, sich mit dem Verkauf von Zeitungen über Wasser zu halten, nicht besonders leicht. Joshua Jackelby gibt aber niemals auf, er kämpft jeden Tag wieder für seine Träume, die er nicht ziehen lassen möchte, wie unmöglich es auch erscheinen mag, sie wahr werden zu lassen. Gemeinsam mit seinen Freunden Charlotte und Leroy schlägt sich der Junge Tag für Tag durch, immer auf der Hut vor den lauernden Gefahren. Verfeindete Banden, Intrigen, Dreck, Armut, rücksichtslose Menschen – Probleme lauern an jeder Ecke und doch hat Josh sich sein gutes Herz erhalten, ist hilfsbereit, mutig und stellt sich Herausforderungen. Die Diebe einer Erfindung von einem Professor zu finden und ihm sein Projekt zurück zu bringen, bevor die Ausstellung stattfindet, auf der er es vorstellen wollte, lässt die Freunde tiefer in die dunklen Geheimnisse und Machenschaften der Londoner Gesellschaft eintauchen und immer wieder bringen sie sich dabei selbst in Gefahr.

Mir hat der Ausflug ins historische London gut gefallen, auch weil es einem die damaligen Zeiten näherbringt und damit aufzeigt, wie viel sich seitdem verändert hat – und dass manche Sachen sich vermutlich nie ändern werden. All die Gefahren, Ängste und Sorgen, mit denen man im 19. Jahrhundert täglich zu kämpfen hatte, fließen immer wieder in die Handlung des Buches mit ein. Nicht nur die gesellschaftliche Strukturen und Krankheiten, die überall lauern, machen es schwer, sich durchzuschlagen. Wagt man sich zu weit aus seinem eigenen Revier raus, drohen einem schmerzhafte Begegnungen mit verfeindeten Banden. Und doch sind Josh und die anderen immer wieder gezwungen, sich auch in andere Ecken Londons vorzuwagen, wenn sie etwas herausfinden wollen. Dadurch entstehen immer wieder kleine Spannungsbögen und Momente, in denen man mit den Figuren mitfiebern kann. Zusätzlich gibt es auch noch mehr Einblicke in die Strukturen, die sich die Freunde aufgebaut haben bzw. in die sie innerhalb der Handlung dann hineinwachsen durch neue Bekanntschaften. Zusammenhalt und Freundschaft sind wichtige Themen, besonders für die Straßenkids. Sie erhalten jedoch auch Unterstützung von anderen, die nicht auf der Straße leben und damit das Spektrum an Möglichkeiten für Recherchen und kleine Vorstöße deutlich vergrößern.

Die historischen Aspekte empfand ich als gut in die Gesamthandlung integriert, man bekommt eine anschauliche Vorstellung davon, wie das Leben von Josh und seinen Freunden aussieht, in welchen Gegenden sie sich herumtreiben und welche Ecken sie lieber meiden. Jedes Kapitel beginnt mit einem möglichen Szenario, mit dem die Zeitungsjungen ihre Waren anbieten könnten und einem kleinen „Spoiler“ auf die Dinge, die in der Tageszeitung stehen. Da die Freunde im Verlauf der Handlung mit reichlich anderen Dingen beschäftigt sind und nicht ständig nur Zeitungen verkaufen, hält das präsent, womit sie sich eigentlich über Wasser gehalten haben, verdeutlicht ein Stück weit ihr Leben und zeigt gleichzeitig auf, was sie Stadt am jeweiligen Tag bewegt. Ich fand das einen tollen Einstieg in die Kapitel. Als Orientierungshilfe dienen die Angaben von Uhrzeiten und dem Datum, um mitzuverfolgen, wie viel Zeit zwischendurch vergeht. Am Ende jedes Kapitels gibt es dann eine kleine Illustration, die zur Handlung der Geschichte passt. Richtig schön sind auch die farbig gestalteten Seiten zu Beginn und am Ende des Buches, die zum einen eine Stadtkarte von London zeigen, um einen besseren Überblick zu haben und zum anderen Josh, mit seiner Hündin und dem „Prinzen“, der in der Geschichte ebenfalls eine wichtige Rolle spielt. Die Buchseiten sind auf alt gemacht, was total gut zur Zeit passt, in der die Handlung spielt.

Der Schreibstil ist angenehm und mitnehmend, manche Ausdrücke der damaligen Zeit fließen in das Geschehen mit ein, es ist jedoch alles gut verständlich und nicht sehr auf „alt getrimmt“. Durch die anschaulichen Formulierungen entsteht beim Lesen eine schöne Atmosphäre, die einen gut in das 19. Jahrhundert eintauchen lässt. Man begleitet im Buch den Protagonisten Joshua Jackelby und lernt damit ihn am besten kennen. Auch ohne Ich-Perspektive erhält man Einblicke in seine Gedankengänge. Auch seine engsten Freunde lernt man über die Zeit recht gut kennen. Manchmal hätte ich mir noch etwas intensivere Einblicke gewünscht, um die Truppe noch besser kennenzulernen und besser einschätzen zu können, was sie prägt und bewegt. Mit der Zeit setzen sich jedoch einige Puzzlestücke zusammen, so dass sich manches erklärt und man einige Hintergründe zu ihnen erfährt.

Die Geschichte des Buches ist interessant zu verfolgen, immer wieder gibt es Momente, in denen das Tempo ein bisschen angezogen wird und eine Portion Spannung und Dramatik in die Handlung einzieht. Oft führen diese Augenblicke dann auch zu kleinen Wendungen, durch neue Erkenntnisse oder erschütternde Momente, die die Charaktere dazu zwingen, sich neu zu orientieren. Weite Strecken der Handlung sind allerdings auch ruhiger gestaltet und beschäftigen sich eher mit der Suche nach Informationen, der Art, wie die Freunde dabei vorgehen, wie sie sich im allgemeinen durchschlagen und auch damit, wie das Leben ihrer Helfer so ausschaut, wobei es hier eher um spezielle Aspekte geht und es nicht zu ausschweifend einfließt. Sich gegenseitig beizustehen, Mut zu machen und zusammen zu halten, das ist immer wieder Thema. Auch spürt man, dass die Straßenkids noch ein wenig mehr zusammenrücken, weil sie bereit sind, sich kleine Schwächen und Ängste zu gestehen, die ihnen zuvor zu peinlich waren, um sie zuzugeben, die für ihr aktuelles Abenteuer nun aber von Bedeutung sind. So hat man neben all den Entwicklungen rund um den Diebstahl, bei denen man mit der Zeit mehr über die Zusammenhänge und manche Intrige erfährt, auch eine gewisse Entwicklung er Figuren enthalten.

Fazit

Ein schöner, atmosphärisch erzählter, schön gestalteter Abenteuerroman, der einen nach London ins Jahr 1851 mitnimmt. Manche Entwicklungen hätten für meinen Geschmack etwas rascher gehen können, bei anderen Themen hätte ich gern ein paar mehr detailliertere Einblicke gehabt, insgesamt hat es jedoch Spaß gemacht, Joshua und seine Freunde zu begleiten, mitzuerleben, wie sie sich auf den Straßen durchschlagen, wie sie mit viel Mut und Geschick versuchen, den Diebstahl aufzuklären und welche neuen Herausforderungen und Gefahren dabei auf sie lauern.

Ich danke dem Verlag und vorablesen.de für das bereitgestellte Rezensionsexemplar.

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