[gelesen] Queergestreift. Alles über LGBTIQA+ von Kathrin Köller

Rezensionsexemplar

©Hanser Literaturverlag
Queergestreift. Alles über LGBTIQA+

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Kathrin Köller, Irmela Schautz (Illustration)
erschienen Mai 2022
288 Seiten
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Hanser Literaturverlag
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informativ, vielseitig, bunt

Sind wir wer wir sein wollen oder sind wir wer wir sein sollen? Direkt nach der Geburt bekommen wir unser erstes „Label“ aufgedrückt: männlich oder weiblich. Zumindest in den allermeisten Fällen. Aber was ist, wenn sich im Laufe der Zeit herausstellt, dass das Geschlecht, das wir zugeordnet bekommen haben, nicht dem entspricht, wie wir uns fühlen? Und was ist, wenn auch das andere nicht so recht zu einem passen will? In einer heteronormativ geprägten Welt scheint es nicht so leicht zu sein, seinen Platz zu finden und frei zu äußern, wen man liebt oder wie man sich fühlt, wenn man in diese scheinbare Norm nicht passen will. Wie schlimm, verstörend und irritierend das für Betroffene sein kann und wie vielfältig die Welt hinter dieser „Norm“ ist, das zeigt „Queergestreift“. Es sensibilisiert und klärt auf, gibt Einblicke in die Gedanken und Gefühle von Betroffenen und baut hoffentlich auch ein paar Vorurteile ab, die möglicherweise nur durch Unwissenheit entstanden sind.

Obwohl wir inzwischen 2022 schreiben, ist es leider alles andere als selbstverständlich, dass Menschen lieben dürfen, wen sie wollen und dass sie sich fühlen dürfen, wie sie sich nun mal fühlen. Es muss nach wie vor viel für Rechte, Gleichstellung, Akzeptanz und Toleranz gekämpft werden, auch wenn sich in den vergangenen Jahren einiges getan hat. Eigentlich absolut unverständlich, wieso es so schwierig zu sein scheint, schließlich wäre es doch für alle einfacher, wenn man offen, sensibel und tolerant gegenüber allen Arten von Liebe, Identitätsausdrücken und solchen Dingen wäre. Damit meine ich jetzt nicht toxische oder gewaltbehaftete Beziehungen und Bindungen, sondern all die anderen vielfältigen Wege sich zu verlieben oder es eben zu lassen bzw. sich selbst zu definieren. Es wäre weniger Stress, weniger Ärger, weniger Konflikte, mehr Zufriedenheit, mehr Akzeptanz, mehr Ruhe für alle – klingt doch traumhaft oder? Die Realität ist nun leider nicht so, aber vielleicht kommen wir irgendwann dahin, dass wir nicht mehr meinen über alles urteilen zu wollen, was andere so tun, wie sie denken und sich fühlen.

Queergestreift beleuchtet nach und nach die einzelnen Buchstaben in „LGBTQIA+“, so dass man eine gute Gliederung innerhalb des Buches hat und entweder von vorn durchgeht oder sich eben den Buchstaben raussucht, der einen am meisten interessiert. Die Bereiche sind klar unterteilt und auch innerhalb jedes Kapitels gibt es eine gute Gliederung, die es übersichtlich macht. Durch zahlreiche Illustrationen wird das Buch noch abwechslungsreicher bei der Betrachtung und sehr bunt. Mir manchmal etwas zu bunt, aber das liegt einfach daran, dass ich nicht so sehr auf quietschbunt stehe, das ist ja absolute Geschmackssache und tut dem Inhalt nun keinen Abbruch. Da die Welt und eben auch Sexualität und Identität sehr bunt und vielfältig sind, passen die farbenfrohen Bilder aber auf jeden Fall zum Thema. Zusätzlich wirkt der Text auch nicht so erschlagend, da es durch die Illustrationen etwas aufgebrochen wird.
Wörter oder Abkürzungen, die innerhalb der Texte vorkommen und einer Erklärung oder Definition bedürfen, sind am Seitenrand erläutert. So hat man alles direkt beisammen und muss nicht ewig blättern, um eine Antwort zu erhalten, sollte man die Begriffe nicht kennen.

Ein wenig gestört hat mich, dass der Text teilweise gewollt „hipp“ wirkte, zumindest auf mich. Englische Ausdrücke, die wie selbstverständlich eingeflochten werden, es zumindest in meinem Sprachgebrauch aber nicht sind, haben mich teilweise etwas aus dem Lesefluss gerissen. Je nachdem, wer das Buch zur Hand nimmt, ist dann vielleicht sogar ein Nachschlagen der Begriffe notwendig, um die es eigentlich innerhalb des Buches ja aber gar nicht gehen sollte. Ich fand das etwas schade, weil man auch einfach im Deutschen hätte bleiben können und alle würden gleich verstehen, was gemeint ist. Für eine junge Leserschaft wirkt es aber möglicherweise auch mitnehmend und sie fühlen sich sprachlich gut abgeholt.
Insgesamt sind die Texte informativ und vielseitig angelegt. Innerhalb der Kapitel gibt es sowohl Erklärungen als auch Erfahrungsberichte und auch Anlaufstellen, falls man Beratung oder einfach Vernetzung möchte. Das hat mir gut gefallen, weil Menschen, die vielleicht nicht so viel Akzeptanz in ihrem Umfeld bekommen, so ein Netzwerk finden, dass sie auffangen und aufbauen kann, ohne dass sie ewig suchen müssen. Außerdem kann es auch dabei helfen, wenn man selbst vielleicht noch nicht genau weiß, in welche der „Schubladen“ man passt. Wobei wir ja eigentlich genau davon wegwollen: vom Schubladendenken.
Auch die Unterschiede, die es innerhalb eines Buchstabens gibt, werden jeweils mit aufgegriffen. Das „L“ steht ja zum Beispiel für lesbian/lesbisch. Da könnte man platt sagen, okay eine Frau liebt/begehrt eine Frau und das stimmt an sich natürlich auch, aber es ist eben doch vielfältiger, weil zum Beispiel auch ein Teil der trans Personen oder non-binäre darunter fallen. Insgesamt ist das Thema einfach viel komplexer, als man es sich so vorstellt, wenn man sich noch nicht so viel damit beschäftigt hat.
Je nachdem wie viele Einblicke man im LGBTIQA+ Spektrum so hat, je unterschiedlicher wir es auch sein, wie viel innerhalb des Buches für einen neu ist und wie erschlagend vielleicht auch all die vielseitigen Informationen, die zwischen den Buchdeckeln stecken. Für mich gab es auf jeden Fall Abschnitte, in denen ich noch einiges erfahren habe, was mir bisher unbekannt oder einfach nicht so bewusst war, wie auch einige der geschichtlichen Rückblicke. Besonders gut gefallen hat mir einfach auch die Mischung an Themen. Es wird nicht beschönigt, es gibt Diskriminierung, zu viel, es gibt Missstände, es ist nicht immer einfach und doch ist es für Betroffene so wichtig zu sich stehen können zu dürfen, von ihrer Umwelt akzeptiert und unterstützt zu werden bei ihrem Weg, bei der Selbstfindung, beim Glücklichsein. Und wer nicht unterstützen möchte, der soll eben einfach tolerant sein, schließlich möchte man selbst ja auch sein und leben, wie man es für richtig empfindet. Manchmal liegen Vorurteile oder schiefe Blicke vielleicht auch einfach daran, dass man zu wenig weiß, umso wichtiger ist es, dass offen über LGBTIQA+ gesprochen wird und man sich vom heteronormativen Gesellschaftsbild löst.
Ein wenig störend empfand ich persönlich es, dass sehr viel auf Labels rumgeritten wird. Ich verstehe total, dass es für Betroffene wichtig ist, selbst entschieden zu können, wie sie „bezeichnet“ werden wollen, weil einige Begriffe für sie vielleicht verletzend sind, andere abwertend, mit anderen identifizieren sie sich schlicht vielleicht einfach nicht. Natürlich sollte jede Person das für sich selbst entscheiden können und die Umwelt sollte sich daran halten – macht es auch wieder für alle einfacher.
Bei der Flut an Begrifflichkeiten, Unterschieden und Abstufungen kann es für Menschen, die sich neu in das Thema „einarbeiten“ oder informieren wollen, aber schon erschlagend sein und man kann das Gefühl bekommen, man hat gerade halbwegs aufgenommen, wie vielfältig die Menschen sind, die unter einem gewissen „Buchstaben zusammengefasst“ werden (das meine ich nicht abwertend, aber im Buch geht man eben die einzelnen Buchstaben durch und was sich eben dahinter versteckt) und dann wird es wieder ein wenig umgestoßen, wenn es heißt „fragt jeden selbst, wie er genannt/bezeichnet werden will“. Wie gesagt, ich verstehe den Sinn dahinter und auch dass es in jedem Kapitel erneut steht, falls jemand nicht alles liest. Insgesamt wirkte es für mich aber trotzdem ein wenig, als würde ständig wieder darauf herumgeritten werden. Hin und wieder empfand ich auch die Erklärungen/Definitionen am Rand als nicht sehr hilfreich. Insgesamt war das Buch aber wirklich schön aufgebaut und gut gegliedert, vielseitig und informativ. Gut fand ich auch, dass es Abschnitte gab, die sich eher an die richten, die selbst queer sind oder sich gerade versuchen zu finden und andere Passagen eher auf die Lesenden eingehen, die sich informieren wollen, um zum Beispiel Hilfestellung für den richtigen Umgang zu erhalten oder einfach ihr Wissen zu erweitern.

Fazit

Ein Sachbuch, das das LGBTIQA+ Spektrum beleuchtet und sehr vielseitige Einblicke in verschiedene Bereiche gibt. Dabei gibt es Erklärungen und Definitionen von Begrifflichkeiten, ebenso wie Erfahrungsberichte verschiedener Personen, Anlaufstellen und Informationen zu Netzwerken, kleine Fragebögen/Checklisten, die dabei helfen können, für unterschiedliche Dinge zu sensibilisieren oder eigene Ansichten zu hinterfragen. Wie viel neues Wissen die Lesenden mitnehmen werden, wird davon abhängen, was sie vorher schon wussten und kannten. Mir hat die Struktur, Gliederung und Unterteilung auf jeden Fall gut gefallen und die farbenfrohen Illustrationen unterstützen die Texte zusätzlich.

Ich danke dem Verlag und vorablesen für das bereitgestellte Rezensionsexemplar.

2 Gedanken zu „[gelesen] Queergestreift. Alles über LGBTIQA+ von Kathrin Köller“

  1. Hallo liebe Dana 🙂

    Ein Buch, das mich auch noch reizen würde, auch wenn Sachbücher normalerweise nicht so ganz mein Thema sind. Dieses finde ich aber thematisch ansprechend, da ich mich selbst schon dabei ertappt habe, einige dieser „Labels“ zu googeln, einfach weil ich überhaupt nicht wusste, dass es sie gibt, geschweige denn, was sie bedeuten 😀 In solchen Fällen einen geeignetes Infobuch zur Hand zu haben ist also sicherlich von Vorteil. Werde ich mir merken – sehr schöne Vorstellung.

    Liebe Grüße
    Lisa von Prettytigers Bücherregal (Blog & Instagram)

    1. Hallo Lisa,
      ich bin auch nur wenig in Sachbüchern unterwegs. Meistens lese ich ja eher um abzuschalten und nicht, um Wissen zu erlangen, aber ab und an mag ich das eben auch ganz gern, wenn mich das Thema interessiert. Ich lese Sachbücher aber auch nicht innerhalb von 1-2 Tagen durch, das ist dann eher so stückchenweise. Man hat schließlich auch auf der Arbeit schon genug Input, man muss auch irgendwann mal abschalten und nicht noch mehr schwere Themen wälzen.
      Ich glaube, es ist auch nicht unnormal, dass man nicht bei allen „Labels“ weiß, was dahinter steckt oder wie so die gängige Art ist, das dann zu betiteln. Besonders wenn man nicht so viel Kontakt dazu hat. Für sowas sind so Bücher echt nicht schlecht, dann kann man noch mal schnell nachschauen. Es ist ja auch viel komplexer, als man meinen mag.
      Liebe Grüße
      Dana

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