Rezensionsexemplar
©Dressler | Davor und danach . Autorin: Nicky Singer erschienen Januar 2019 384 Seiten, Print . hier geht’s zum Verlag → Dressler . |
nachdenklich stimmende, erschütternde Geschichte
Mhairi hat nur noch ein einziges Ziel: überleben! Für sich, für ihre Eltern, für ein besseres Leben, eine sichere Zukunft in ihrer alten Heimat. Doch der Weg dahin ist steinig, geprägt von Schmerz, Entbehrung und der Frage, was sie bereit ist zu opfern, um Schottland zu erreichen. Und irgendwann muss sie sich auch die Frage stellen, ob überleben wirklich das einzige ist, was zählt.
Ich schreibe nur selten etwas zum Cover bzw. der Aufmachung vom Buch, aber hier ist es wirklich besonders und damit für mich erwähnenswert. Sowohl auf der Front, als auch an auf der Rückseite, wo sonst der Klappentext steht, befindet sich keine Schrift, sondern nur das wunderschöne Coverbild. Die Seitenflächen vom Buch sind für den Titel genutzt, eine wirklich ungewöhnliche Art, die zur Geschichte passt und auch optisch was hermacht.
Die Geschichte ist aus der Ich-Perspektive von Mhairi geschildert. Dadurch hat man Einblick in ihre Gedankenwelt, die durch die Ereignisse der letzten Monate ziemlich auf den Kopf gestellt wurde. Als 14 Jährige sollte man sich nicht allein auf der Flucht befinden, nie wissen, ob man den nächsten Tag noch erlebt und es überhaupt möglich sein wird, das sichere Ziel zu erreichen. Ihre Situation ist erschreckend und erschütternd und die kurzen Einblicke in ihr Seelenleben machen deutlich, wie viel in ihr schlummert, was sie weggeschlossen hat. Obwohl ich sehr gut verstehen kann, dass Mhairi nicht all diese Dinge an sich heranlassen möchte, nicht ständig darüber nachdenken, sie nicht immer wieder in Erinnerung rufen will, empfand ich es zu Beginn der Geschichte trotzdem als „störend“. In Anbetracht der schwierigen Situation der Protagonistin erscheint der Ausdruck störend vielleicht als unangebracht, aber zunächst werden die Erlebnisse ihrer jüngsten Vergangenheit immer nur angerissen und an dem Punkt, an dem man erfahren würde, was passiert ist, was sie erlebt hat, wie alles zusammenhängt, wird abgebrochen. Natürlich kann man zwischen den Zeilen herauslesen, was möglicherweise passiert sein könnte, eine Erklärung dafür, ob man richtig lag mit seinen Vermutungen, gibt es dann erst sehr viel später in der Geschichte. Mhairis Überlebensstrategie ist bewundernswert, dennoch hätte ich sie schon zu Beginn gern mehr kennengelernt, so bleibt einiges doch lange recht vage.
Das Buch spielt einige Jahre in der Zukunft und thematisiert die Veränderung der Welt durch Klimawandel, Überbevölkerung, Ausbeutung der Natur und den daraus resultierenden Konsequenzen und Gesetzesänderungen. Im Verlauf der Handlung bekommt man einen groben Überblick über die Sachen, die sich verändert haben, häufig werden die Aspekte jedoch nur angedeutet bzw. angerissen und nicht ausführlicher beschrieben. Es war ein wenig schade, nicht noch mehr darüber zu erfahren, wie sich die Autorin die Zukunft vorstellt, in der die Protagonistin lebt. Es hätte auch Mhairis Welt noch ein bisschen greifbarer und lebendiger gemacht. So überwiegt die Anspannung, Angst, Frustration und der bittere Kampf ums Überleben, der durch die gravierenden Veränderungen in der Welt ja erst ausgelöst wurde. Für die Grundstimmung des Buches ist das auf jeden Fall ideal gewählt, da der Weg, den Mhairi zurück legen muss, alles andere als idyllisch und aufmunternd ist, man kommt allerdings aber auch nur wenig über ihren direkten Fokus hinaus.
Denkanstöße werden damit allerdings trotzdem gesetzt, denn die Vision, die präsentiert wird, ist erschreckend, aber vermutlich nicht so unrealistisch, wie man hoffen würde. Es sind viele wichtige Themen eingearbeitet, die jetzt schon aktuell sind und die uns auch in der nahen Zukunft weiter begleiten und beschäftigen werden.
Die kurzen Sätze und teilweise abgebrochene Gedankengänge lassen die Geschichte zunächst nicht so flüssig erscheinen, aber der Schreibstil passt zu Mhairi und ihrem Leben, das auch immer wieder ins Stocken gerät, neu sortiert und geplant werden muss. Nach wenigen Seiten hatte ich mich daran gewöhnt, in welcher Form die Protagonistin von ihrem Weg berichtet. Es ist erschreckend und aufwühlend, was sie erlebt, wie viel sie bedenken muss und was alles auf dem Spiel steht. Die kleinen Einschübe, in denen sie ihren Liebsten von „schönen“ Dingen berichtet, die sie erlebt oder an ihre Kindheitserinnerungen denkt, sind zwar irgendwie hoffnungsvoll, aber auch unheimlich traurig. So richtig gefangen genommen und vor allem auch emotional komplett erreicht hat mich vor allem der letzte Abschnitt der Geschichte. Die Entwicklungen dort gingen mir unter die Haut.
Fazit
Ein Jugendbuch, das den schrecklich harten, entbehrungsreichen Weg der jungen Mhairi enthält, die stellvertretend für so viele Menschen auf der Flucht stehen könnte. Die Ausgangssituation ist erschreckend und sollte uns aufrütteln, die gravierenden Veränderungen der Welt anzugehen, bevor es zu spät ist. Trotz der wirklich ernsten, erschütternden Thematik hat mir persönlich an einigen Stellen etwas gefehlt, um mich wirklich komplett gefangen zu nehmen.
Ich danke dem Verlag für das bereitgestellte Rezensionsexemplar.