Herbstattacke Autor: Nataly Savina erschienen August 2012 | (c) Chicken House/ Carlsen |
Nach der Trennung seiner Eltern zieht Leo mit seiner Mutter um. Er kommt auf eine neue Schule, wo er sich sofort in das iranisches Mädchen Farsaneh verliebt. Wenn nur nicht ausgerechnet deren Bruder der Anführer einer Gang wäre, die in Leo, dem Neuen, ein neues Opfer gefunden hat…
Das Buch ist aus Sicht des 15-jährigen Leo geschrieben. Der Teenager berichtet in der Ich-Perspektive über seine Erlebnisse an der neuen Schule, mit all den Gedanken, die ihm dabei durch den Kopf gehen. Die Wortwahl entspricht dem Jugendlichen, ebenso die oftmals sehr kurzen, abgehakten Sätze, was das ganze irgendwie authentisch macht.
Die Geschichte ist nicht sonderlich spannend und wird ab der Hälfte sehr anstrengend und nervig, da die Handlungen der Figuren für mich oft nicht nachvollziehbar sind und kein Thema vernünftig zuende gebracht wird. Die Thematik ist aktuell und es sind durchaus interessante Ansätze und Konfliktthemen (z.B. Scheidung, Religions-/Kulturkonflikte, heimliche Beziehung, Gewalt, Gruppenzwang…) vorhanden, aber es bleibt insgesamt zu oberflächlich.
Damit stellt sich die Frage nach der Zielgruppe dieses Buches:
Für Erwachsene ist es eher langweilig, da es sich um Jugendthemen handelt, die mit wenig Spannung und wenig Intensität in einer recht vulgären Sprache durchgehetzt werden.
Aber auch für Jugendliche finde ich es nur begrenzt geeignet. Aufgrund der sehr kurzen, oberflächlichen Darstellung präsentiert sich dem Leser ein stereotypes Szenario mit fragwürdigen Wertvorstellungen. Nur in wenigen Fällen erschließen sich die Gründe für das Handeln der Figuren, aber ob sie wirklich Gefallen an ihren Taten haben oder sich nur aus Angst und Gruppenzwang cool geben bleibt oft unklar, da man wenig über ihre Gefühle erfährt.
Schon zu Beginn war ich zwiegespalten. Leo gerät sofort in den Fokus der Gang, die ihn bedroht und ausraubt. Er stellt sich ihnen relativ mutig entgegen, zeigt, dass man sich nicht alles gefallen lassen darf. Aber: er vertraut sich wirklich niemandem an und will es unbedingt allein regeln. Dabei bringt er sich selbst in Gefahr und kann auch nicht zum Schutz zukünftiger Opfer der Gruppe beitragen und dies im Grunde nur, weil er nicht als Petze dastehen will.
Leos Auslöser, Kontakt zur Gang zu suchen, war natürlich Farsaneh, aber schnell scheint sie nicht der einzige Grund zu sein. In seinen wenigen wortkargen Gedanken erweckt er oft den Eindruck, gern zur Gruppen zu gehören und Spaß zu haben. Ein Lerneffekt ist im Verlauf nicht zu erkennen, ebenso wenig reflektiert eine der Figuren ihr Handeln, sodass man Ende als Aussage im Kopf behält:
Egal, was für Blödsinn du machst, egal ob dabei jemand verletzt wird, es ist doch toll, dass einen keiner erwischt.
Das Ende erschien mir unlogisch, die Geschichte hört einfach auf, es bleibt viel Raum für Spekulation, wobei man als Leser vermutlich gedanklich schon viel weiter ist als Leo selbst, der trotz aller Vorfälle noch naiv und blauäugig von der Zukunft träumt.
Fazit:
Es sind zu viele Problemthemen auf den wenigen Seiten verarbeitet, wobei alles nur angerissen und nichts vernünftig ausgearbeitet wird. Die Figuren sind größtenteils unsympathisch, was durch ihr unreflektiertes Handeln und ihre tiefenlose Charakterdarstellung noch verstärkt wird.
Vielleicht würde sich das Buch gerade aufgrund seiner oberflächlichen Darstellung allerdings als Schullektüre eignen, da es viel Raum für Diskussion und zum Nachdenken anregende Gespräche gibt, die sich im direkten Zusammenhang zum Leben von Jugendlichen befinden, wobei es natürlich wichtig wäre, aufzuzeigen, wie man aus solch einem Zirkel wieder herauskommt und dass man nicht automatisch schwach ist, wenn man um Hilfe bittet oder sich jemandem anvertraut. Den was dies betrifft vermittelt das Buch einen ganz anderen Eindruck…