![]() ©SagaEgmont | Der Buchhändler . Petra Johann gesprochen von Tetje Mierendorf erschienen Mai 2022 ungekürzte Lesung: 732 Minuten . . hier geht’s zum Buchverlag → SagaEgmont . |
eher ruhig, trotzdem interessant zu verfolgen
Nach der Trennung von seiner Frau zieht Erik Lange ins beschauliche Neukirchen, um dort einen Neuanfang zu wagen. Er übernimmt die Buchhandlung im Ort und knüpft dadurch recht zügig Kontakte. Auch wenn ihm der Weggang schwer fiel und die Entfernung zu seiner Tochter ihn belastet, war es für ihn die einzige Option. Alles lief recht gut in Neukirchen, bis eines Morgens eine Grundschülerin verschwindet. Die Nerven der Eltern liegen blank und da die Bewohner sich alle gut kennen, ist die gesamte Gemeinschaft ziemlich aufgewühlt. Getrieben von Angst und Verunsicherung greifen nach jedem Strohhalm und stürzen sich auf mögliche Hinweise und Verdächtige.
Das Buch beginnt mit einem ziemlich heftigen Prolog, der für Spannung, zahlreiche Fragen und eine unheimliche Atmosphäre sorgt. Danach wird es dann allerdings erst mal deutlich ruhiger und die Spannung baut sich eher gemächlich wieder auf, bis das Tempo im letzten Abschnitt des Buches dann wieder mehr angezogen wird. Nach dem Einstieg hatte ich zunächst etwas anderes vom Buch erwartet und hätte gedacht, dass es möglicherweise mehr solcher Passagen geben könnte. Der eher ruhige Handlungsverlauf war aber dennoch interessant zu verfolgen und hatte seine Spannungsmomente.
Die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven geschildert, womit man unterschiedliche Einblicke in die Entwicklungen der Handlung erhält. Zu Beginn ist man hauptsächlich bei Erik Lange und erlebt mit, wie er sich sein Leben neu aufbaut, Kontakte knüpft und mit seiner Vergangenheit hadert, auch wenn man lange Zeit nicht weiß, was genau passiert ist. Gleichzeitig lernt man damit auch die Dorfgemeinschaft kennen und bekommt einen ersten Eindruck, wie es in Neukirchen zugeht. Diese Passagen werden aus der Ich-Perspektive von Erik erzählt, was es persönlicher macht und den Zugang zu seiner Person erleichtert.
Die anderen Abschnitte werden von einem neutralen Erzähler geschildert, was noch mal einen ganz anderen Blickwinkel auf die Handlung gibt und mehr Überblick ermöglicht. So kann man die Ermittlungen von Judith Plattner und ihrer für diesen Fall zugeteilten Partnerin ebenfalls mitverfolgen und dabei sein, wie sich nach und nach mehr Spuren ergeben und Dinge herausgefunden werden. Dabei spielt auch das Privatleben von Judith eine Rolle und fließt in die Handlung mit ein. Die Ermittlungen haben Einfluss auf ihre Gedanken und Empfindungen bezüglich ihres Schicksalsschlags, so dass man auch dazu ein wenig was erfährt. Ich mag es immer ganz gern, wenn man die Polizisten etwas persönlicher kennenlernt, das macht sie greifbarer und macht Reaktionen und Verhaltensweisen nachvollziehbarer.
Gut gefallen hat mir, dass die Auflösung am Ende anders war, als man es sonst häufig erlebt. Im Verlauf gab es verschiedene Möglichkeiten, die in Betracht gezogen wurden, entsprechend wurden dann auch die Befragungen und Recherchen geführt. Manche Ansätze waren wahrscheinlicher als andere, die Ermittlerinnen haben jedoch versucht, nicht vorschnell etwas auszuschließen, um nichts Wesentliches zu übersehen. Stück für Stück ergeben sich Zusammenhänge und Hinweise, so dass sich das Gesamtbild dann zusammensetzt. Dabei stoßen die Polizistinnen auch immer mal wieder auf Widerstand bei der Dorfgemeinschaft, wenn sie finden, dass etwas unnötig ist oder zu weit geht, sie sich in ihrer persönlichen Freiheit beschränkt fühlen oder ähnliches. Letztendlich sind aber doch alle bemüht, die Suche nach dem verschwundenen Mädchen nicht zu behindern. Zum Schluss hat sich dann das Blatt noch mal gewendet, es gipfelt jedoch nicht in einem total spektakulären, actionreichen Finale. Für mich hätte es das aber auch nicht gebraucht.
Manche der Spuren, denen nachgegangen wurde, empfand ich direkt als nicht besonders wahrscheinlich. Trotzdem gab es insgesamt noch genug Möglichkeiten und man wusste nicht genau, wie sich dann alles zusammenfügen wird. Gut eingeflochten empfand ich ein Thema, das sonst eher einseitig betrachtet wird und häufig „gute“ Täter liefert. Hier war die Herangehensweise mal eine andere. Worum genau es da ging, will ich nicht verraten, da es mich doch überrascht hat, dass das Teil der Handlung war und wie es eingearbeitet wurde.
Der Sprecher hat eine angenehme Stimmfarbe, ich fühlte mich gut mitgenommen und konnte der Geschichte problemlos folgen. Veränderungen in der Tonlage und Sprechweise machten es leicht, die einzelnen Figuren zu unterschieden. Zusätzlich hilfreich war dabei natürlich die Wahl der verschiedenen Erzählperspektiven, so dass man gut einordnen konnte, wen man begleitet. Durch die atmosphärische Erzählweise wurde die Handlung gut transportiert und der kontinuierliche Spannungsaufbau unterstützt.
Fazit
Nach dem Prolog hätte ich einen anderen Handlungsverlauf im Buch erwartet. So blutig und brutal wurde es dann allerdings eigentlich gar nicht mehr, auch wenn der Prolog gegen Ende noch mal eine Rolle spielt. Ein eher ruhiger Handlungsverlauf, in dem die Spannung erst langsam wieder gesteigert wird, trägt einen durch die Geschichte. Trotzdem war es interessant zu verfolgen, wie Spuren gefunden, ausgewertet und verworfen wurden, wer wem etwas vorlügt und wie einzelne versuchen ihre Haut zu retten.