[gelesen] A (Gay) Cinderella Story von James Black

Rezensionsexemplar

© Impress/Carlsen
A (Gay) Cinderella Story

.
James Black
erschienen Dezember 2022
452 Seiten
.
hier geht’s zum Verlag
Impress/Carlsen
.

schöne Märchenadaption mit eigenen Elementen

Kurz nach dem Tod seines Vaters hat sich für Quinn zu Hause alles geändert. Seine Stiefmutter schikaniert ihn, kommandiert ihn herum, lässt ihn schuften, damit es ihr und ihren leiblichen Söhnen gut geht, egal ob für Quinn dabei genug Zeit bleibt, sich um seine eigenen Bedürfnisse zu kümmern. Er erträgt es stumm, auch wenn es in ihm brodelt und er sich nichts mehr wünscht, als endlich dort raus zu kommen. Die letzten Monate bis zum Abschluss will er aber noch durchhalten und dann ausbrechen aus seinem Leben hinter den Mauern.
Obwohl Finnley und Quinn schon seit Jahren auf die gleiche Schule gehen, hatten sie bisher nicht viel miteinander zu tun. Als sie nun immer wieder ins Gespräch kommen, entsteht eine unerwartete Bindung zwischen den beiden jungen Männern, die beide ihre Probleme mit sich herumtragen, auch wenn man diese nach Außen hin nicht immer sieht und ahnt. Der beliebte Eishockeytorwart hat nicht das perfekte Leben, das man meinen möchte. In Quinn löst er eine Vielzahl an Gefühlen aus, die er jedoch nicht bereit ist zuzulassen, nicht in seiner aktuellen Situation, nicht mit dem Wissen, dass seine Stieffamilie es ihm ohnehin kaputt machen würde… Wird Quinn für sich einstehen und den zarten Gefühlen eine Chance geben?

Bereits bei der Programmvorschau des Verlags bin ich auf das Buch aufmerksam geworden und habe es mir direkt notiert. Besonders spannend fand ich, dass der Autor selbst sagte, ihm war die Tiefe seiner Charaktere wichtig. Bei einer Cinderella-Story erwartet man ja nun nicht zwingend eine ausgeprägte Figurentiefe, sondern vielleicht eher eine romantische Lovestory, mit viel Zucker und Herz. Dieses Buch bietet aber auf jeden Fall mehr und auch nicht ganz so viel Zucker, wie man vielleicht zunächst denken würde. Es hat mir gut gefallen, wie die Charaktere angelegt waren und dass sie ihre Päckchen und Probleme hatten, die immer wieder zum Tragen kamen und auch nicht innerhalb von zwei-drei Seiten überwunden wurden. Das eine oder andere mag vielleicht auch mal unrealistisch erscheinen, aber es ist natürlich fiktiv und es ist eine Märchenadaption, außerdem reagiert jeder Mensch ganz unterschiedlich auf erlebte Schicksalsschläge, hat ganz eigene Hoffnungen und Wünsche, an die man sich manchmal auch unsinnigerweise klammert und nicht einfach loslassen kann, selbst wenn einem das bewusst ist. Insgesamt war es für mich ziemlich stimmig.

Die Geschichte wird aus der Sicht von Protagonist Quinn erzählt, wodurch man besonders ihn sehr intensiv kennenlernen kann. Die Einblicke in seine Gedanken und Gefühle machen ihn greifbar und zeigt, wie viel in ihm tobt und wie sehr er zwischendurch mit sich, seinen Wünschen und Hoffnungen und den Fesseln kämpft, die um ihn gelegt wurden. Durch die schwierige Situation zu Hause kann er nicht leben, wie er es gern würde, er will aber auch nicht zu viel davon nach draußen dringen lassen und behilft sich daher manchmal mit Lügen, die ihm nicht immer leicht fallen, die für ihn aber nötig sind, damit nicht die gesamte Schule weiß, wie schlimm es für ihn mit seiner Stieffamilie teilweise ist. Seine besten Freunde wissen aber davon und haben viel Verständnis, wenn man wieder was nicht geklappt hat, wie geplant. Besonders seine beste Freundin bestärkt ihn aber auch immer wieder darin, endlich auszubrechen und sich das nicht länger gefallen zu lassen. Wieso es Quinn so schwer fällt und was ihn da hemmt, wird im Verlauf des Buches immer weiter aufgelöst. So wie Quinn als Charaktere gezeichnet wurde, empfand ich es als nachvollziehbar, auch wenn ich hin und wieder dachte, er sollte es einfach wagen. Trotzdem konnte ich verstehen, wieso er eigentlich auf etwas anderes gehofft hat und wie tief in ihm verwurzelt dieser Wunsch war. Als Außenstehender betrachtet und bewertet man Situationen ja ohnehin noch mal anders, als wenn man mittendrin steckt.
Finnley erleben wir zwar nicht aus der Ich-Perspektive, aber da Quinn und er zunehmend mehr Zeit miteinander verbringen, bekommt man auch von ihm einen immer besseren Eindruck. Er ist da auch etwas offener und freigiebiger mit Informationen und vertraut sich Quinn schneller an, als dieser sich Finnley öffnen möchte. Dadurch bekommt man auch von Finnleys Hintergrundgeschichte immer mehr mit und kann sehen, dass der beliebte und erfolgreiche Eishockeytorwart ebenfalls seine Probleme mit sich herumträgt, von denen die allermeisten in seinem Umfeld gar nichts wissen. Zwischendurch habe ich überlegt, ob es mir zu viele Päckchen sind, die die beiden mitbringen und ob es nicht auch weniger getan hätten. Und aus meiner Sicht wäre das ausreichend gewesen, wenn man was gestrichen hätte, allerdings mochte ich die beiden auch echt gern und fand es schön zu sehen, wie sie immer mehr zusammenwachsen, wie sie sich einander öffnen und die Masken langsam fallen lassen. Es ist keine Liebesgeschichte, die übers Knie gebrochen wird, es ist eine Entwicklung da und auch wenn für die Leser früher klar ist, dass da mehr Gefühle sind, als die beiden sich das eingestehen, so war es doch einfach schön, die beiden zu begleiten und zu sehen, wie sie an ihren Baustellen arbeiten, wie sie sich teilweise das erste mal jemandem anvertrauen und was das in ihnen auslöst.
Gut gefallen hat mir die Figurenmischung insgesamt, auch wenn man hauptsächlich von Finnley und Quinn etwas erfährt, so sind doch einige der anderen Freunde und Klassenkameraden immer wieder mit dabei und spielen mal mehr, mal weniger eine Rolle. In den Fokus rückte da vor allem Robin. Robin trägt als Orientierungshilfe für die Mitmenschen mal Mars- und mal Venusarmbänder, damit alle wissen, wie Robin an dem Tag angesprochen werden möchte. Das war ziemlich selbstverständlich in die Handlung mit eingebunden und hat bei niemandem mehr für irritierte Blicke gesorgt. Ich empfand die Art der Einflechtung als sehr angenehm und akzeptanzfördernd. Auch die beste Freundin von Quinn, Avery, ist queer und mit einer Mitschülerin zusammen. Liebe ist Liebe spielt auf jeden Fall an verschiedenen Stellen eine Rolle, ohne dass es wirklich direkt thematisiert wird.

An den Schreibstil musste ich mich zu Beginn etwas gewöhnen. Die Handlung wird im Präsens geschildert, was ich zwar immer mal wieder in Büchern habe, aber nicht so häufig. Dadurch ist es erst etwas ungewohnt gewesen. Auch empfand ich zunächst einige der Beschreibungen als etwas sehr blumig-ausgeschmückt, im Gegensatz zu den sonst sehr modern gehaltenen Dialogen. Mit der Zeit habe ich mich jedoch gut reingelesen und wurde mitgenommen von der abwechslungsreichen Handlung und den facettenreichen Figuren. Viele Elemente der Handlung waren nicht unbedingt überraschend, manches konnte man recht früh erahnen, ein paar Offenbarungen waren dagegen nicht ganz so offensichtlich. Parallelen zum Märchen sind auf jeden Fall vorhanden, es steckt darüberhinaus aber auch anderes in der Geschichte. Ein wenig schade fand ich, dass am Ende ein Punkt, der die Familie betraf, komplett offenbleibt. Die Stieffamilie war das gesamte Buch über ja ein großes Thema und auch wenn es dort dann mit der Zeit Veränderungen gibt, so ist manches halt nicht abschließend aufgelöst worden.

Fazit

Eine schöne, facettenreiche Liebesgeschichte, in der mehr steckte als nur eine romantische Cinderella-Story. Die Protagonisten haben ihre Päckchen zu tragen, die intensiv in die Handlung eingebunden sind und es dadurch nicht so zuckersüß und durchweg romantisch machen. Es gibt durchaus romantischer Passagen und schöne Entwicklungen in der Gefühlswelt der Charaktere, aber eben auf eine etwas langsamere Art, mit dem Überwinden von mehr Hürden und dem Fallenlassen von eigenen Mauern und nicht über Nacht. Das Figurenfeld mit den verschiedenen queeren Charakteren hat mir gut gefallen und der Handlung zusätzlich noch eine etwas andere Note gegeben.

Ich danke dem Verlag für das bereitgestellte Rezensionsexemplar.

8 Gedanken zu „[gelesen] A (Gay) Cinderella Story von James Black“

  1. Hallo Dana

    Von dem Buch habe ich noch nie etwas gehört, aber der Titel hat mich direkt zum Schmunzeln gebracht und meine Neugier geweckt, denn ich lese queere YA Bücher sehr gern. Ich muss aber gestehen, dass ich inzwischen schon einige Cinderella-Retellings gelesen habe, von denen mich nur die wenigsten überzeugen konnte. Deshalb bin ich auch etwas skeptisch. 😀

    Schön, dass hier aber scheinbar noch mehr als die eigentliche Cinderella-Story enthalten ist und das Buch nicht so kitschig ist, wie es der Titel (und das Cover :D) vermuten lassen würden.

    Ich behalte das Buch gerne mal im Hinterkopf.

    Liebe Grüsse
    Mel

    1. Hallo Mel,
      ich kann gut verstehen, das du skeptisch bist, wenn du schon einige Geschichten gelesen hast, die dir nicht so gut gefallen haben. Geschmack ist da ja auch immer sehr verschieden. Ich fand die Art der Darstellung und der Zusammenstellung der Protagonisten hier sehr schön, war mal was anderes, als ich es sonst immer so gelesen hatte in Cinderella-Storys 🙂
      Es ist schon süß zwischendurch, aber ich empfand es nicht als so extrem kitschig, wie das Cover mich vermuten lassen würde.
      Liebe Grüße
      Dana

  2. Hallo Dana!
    Der Autor hier 😀
    Ich muss sagen, deine Gedanken zu meinem Buch waren wirklich wunderschön formuliert und dass es dir dann doch so gefallen hat, obwohl du Anfangsschwierigkeiten hattest, freut mich umso mehr. Ich bin auch nur ganz zufällig jetzt auf deinen Blog gestoßen, deswegen hat es mich noch mehr überrascht, dass du überhaupt so viele Gedanken zu meinem kleinen Debüt hattest.

    Vielen, vielen Dank für deine Rezi <3
    Liebe Grüße,
    James

    1. Hallo James,
      unser Blog ist jetzt auch nicht unbedingt einer von denen, über die man ständig stolpert, umso schöner ist es, dass du zufällig darauf gestoßen bist! 🙂
      Es freut mich, dass du meine Formulierungen ansprechend findest und dich über die Rezension freust.
      Planst du denn noch weitere Geschichten? Vielleicht sogar weitere queere Märchenadaptionen? 🙂
      Liebe Grüße
      Dana

      1. Hallo Dana!
        Ich bin noch in den Planungsanfängen, aber die Ideen für ein paar weitere Märchenadaptionen wären da. Erstmal habe ich eine Vorgeschichte zu diesem Buch geschrieben, mit der ich jetzt fast fertig bin, da weiß ich allerdings nicht, ob der Verlag sie direkt veröffentlicht. Mal schauen. Ansonsten sind andere Dinge da, die ich anbieten kann.

        Liebe Grüße
        James

        1. Hallo James,
          danke für deine Antwort und die Einblicke 🙂 Ich drücke dir die Daumen, dass du mit deinen Projekten Erfolg haben wirst und auch neue Ideen ein zu Hause in einem Verlag finden werden.
          Liebe Grüße
          Dana

  3. Hallo liebe Dana,

    du hattest ja schon erwähnt, dass du im Dezember eine queere Cinderella-Story gelesen hast und jetzt war ich doch sehr auf deine Rezension gespannt. Auf jeden Fall klingt sie mal nach was ganz anderem, auch wenn schon etwas Zucker in der Geschichte ist.

    Ich wollte mich auch noch mal auf diesem Weg herzlich für die tolle Weihnachtskarte bedanken. Es hat mich riesig gefreut!

    Liebe Grüße und einen wundervollen Rutsch ins neue Jahr
    Jenny

    1. Hallo Jenny,
      in eine Cinderella-Story gehört natürlich schon ein bisschen Zucker und Liebe, sonst könnte man das Kind ja auch anders betiteln 😉 Aber ich empfand es als etwas anderes, als man sonst immer so liest, mir hat es gefallen 🙂

      Sehr gern! Es freut mich, dass die Karte bei dir angekommen ist, ein paar andere haben ihre leider nicht erhalten. Alles etwas schräg dieses Jahr.
      Wir wünschen dir auch einen guten Rutsch! 🙂
      Liebe Grüße
      Dana

Schreibe einen Kommentar

(Kommentare werden von uns freigeschaltet.)

Mit dem Absenden des Formulars werden deine Nachricht sowie dein Name und deine Webseite (freiwillige Angaben) gespeichert. Weitere Informationen findest du in der Datenschutzerklärung.