[gelesen] Sandra Regnier – Die Stunde der Lilie

© Impress (Carlsen)
Die Lilien-Reihe,
Band 1:
Die Stunde der Lilie 
 Autor: Sandra Regnier
erschienen August 2014
ISBN: 978-3-646-60073-5

eine abwechslungsreiche Reise ins vergangene Frankreich

Jeder kennt es, doch nicht jeder liebt es: den Geschichtsunterricht.
Da kaut man stundenlang mit einem, vielleicht auch noch strengen, mauligen,
grimmigen oder altbackenen Lehrer durch, was die Damen und Herren in den
vergangenen Jahrhunderten so getrieben haben, wer welchen Streit begonnen und
wer wen auf dem Königsstuhl ersetzt hat. Besonders aufschlussreich ist
natürlich auch, welche Entwicklung in der Steinzeit gemacht wurden, wer wann,
aus welchem Grund seinen Nachbarn vor „Gericht“ oder auf den Scheiterhaufen
bringen durfte und so weiter. Die wirklich aktuellen, wichtigen und
interessanten Themen kommen häufig zu kurz – so erging es zumindest mir früher.
Für einige ist Geschichtsunterricht bestimmt spannend,
aufregend und es gibt so viel zu entdecken. Für andere ist es eher ein lästiges
Übel mit vielen Jahreszahlen, trockenen Fakten und zu vielen Namen, die sich ja
doch keiner merken kann. Julias absolutes Hassfach ist hingegen Französisch.
Eine Sprache, die ihr einfach nicht in den Kopf will, egal was sie versucht.
Geschichte dagegen mag sie recht gern, es fällt ihr leicht, sich Daten und
Zusammenhänge zu merken und diese in logischer Reihenfolge wiederzugeben. Ihr
Glück! Doch vermutlich hätte sie niemals erwartet, dass sie ihr Wissen in einer
solchen Form brauchen könnte. Während eines Ausritts mit ihrer Schulfreundin
gerät sie auf mysteriöse Weise ins 17. Jahrhundert und landet, wie sollte es
auch anders sein, mitten in Frankreich! Anderes Land, andere Zeit, andere
Sitten, furchtbare Sprache – eine Kombination, die bei Julia nicht unbedingt
Jubelschreie hervorruft. Da es jedoch keinen offensichtlichen Weg zurück in
ihre Zeit gibt, muss sie sich bemühen, in ihrer neuen Umgebung klar zu kommen.
Ein Unterfangen, das sie vor viele unerwartete Herausforderungen stellt.

Der Schreibstil von Sandra Regnier ist angenehm und
flüssig. Die Sprache ist an die Zeit des 17. Jahrhunderts angepasst, bleibt
aber trotzdem verständlich. Zwischendurch mischt Julia immer mal wieder
„moderne“ Begriffe in ihre Äußerungen, die mich zum Schmunzeln und die
anwesenden Charaktere zum Kopfschütteln bringen.
Julia muss, nachdem sie begriffen hat, dass es sich
leider um keinen absurden Traum handelt, viel lernen – besonders Französisch-,
sich der Zeit und den Menschen anpassen, damit sie nicht so sehr negativ
auffällt. Um ihre Person gibt es viele Gerüchte, Gespräche und Spekulationen,
da man ihr Erscheinen im Versailles des 17. Jahrhunderts nur schwer
nachvollziehbar erklären kann. Etienne ist ein strenger, perfektionistischer
Lehrer, der immer wieder für eine Überraschung gut ist. Er bringt ihr alles
Nötige bei, um am königlichen Hof als Dame akzeptiert zu werden. Die Umstellung
ist der 16 Jährigen nicht leicht gefallen, immer wieder kann der Leser ihre
mürrischen Gedankengänge mit verfolgen. Die Beschreibungen aus ihrer Perspektive
helfen dabei, ihre Situation zu verstehen und die Schwierigkeiten, die sich ihr
bieten, nachvollziehen zu können. Immer wieder gibt es witzige Momente, in
denen sie gern aus ihrer Haut fahren würde und allen Leuten erzählen will, was
sie in der Zukunft erwartet.
Die Reise in die vergangene Zeit bietet einen
interessanten und aufschlussreichen Einblick in die geschichtlichen
Entwicklungen und Lebensverhältnisse in Frankreich. Natürlich hatte man diese
Thematik auch in der Schule, jedoch sind mir nicht alle Ereignisse so präsent
gewesen und so war es spannend zu verfolgen, welche Verstrickungen, Intrigen
und Machtkämpfe es gab. Die Mischung aus realen Geschehnissen und fiktiven
Szenen ist sehr abwechslungsreich. Ein gutes, erklärendes Nachwort macht dann zum
Abschluss auch noch einmal deutlich, welche Handlungselemente übernommen und
welche abgewandelt wurden.
Zeitweise waren mir die ganzen unterschiedlichen Namen
jedoch etwas zu viel, besonders wenn man nicht viel zu den Personen erfährt,
sondern nur die verwandtschaftlichen Beziehungen dargestellt werden.
Zum Ende des Buches hat Julia viel erlebt und eine enorme
Entwicklung durchlaufen, viele Fragen bleiben jedoch noch offen und man ist
gespannt, wie es im nächsten Band wohl weitergeht und welche Herausforderungen
noch gemeistert werden müssen.
Sympathische Charaktere, eine ungewohnte, aber gut
erklärte Zeit und ein angenehmer Stil sorgen für interessante Lesestunden im
entfernen Frankreich.

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