[gelesen] Mr. Parnassus‘ Heim für magisch Begabte von T. J. Klune

© Heyne

Mr. Parnassus‘ Heim für magisch Begabte

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T. J. Klune
erschienen April 2021
480 Seiten
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Heyne
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facettenreich, vielseitig, wundervolle Botschaften

Linus Baker ist Sachbearbeiter bei der Behörde für die Betreuung magischer Minderjähriger und er nimmt seinen Job sehr ernst. Gewissenhaft und regeltreu überprüft er, ob die Unterbringung für die Kinder und Jugendlichen in den Waisenhäusern angemessen ist. Dabei geht es darum, ob sie dort gut aufgehoben sind, es für sie selbst und andere kein zu großes Gefährdungspotenzial gibt, die Betreuungspersonen fähig und der Zustand des Gebäudes zumutbar ist. Eine wichtige Aufgabe, denn sein Bericht entscheidet teilweise über die Zukunft der Heime und auch über den Verbleib der Kinder und Jugendlichen. Linus wird für seine detaillierten, sachlichen und gut recherchierten Berichte geschätzt, dennoch ist er mehr als verwundert, als er eines Tages mit einer ganz besonderen Überprüfung betraut wird. Der Sachbearbeiter soll das Heim unter die Lupe nehmen, das von Mr. Parnassus betreut wird. Das Waisenhaus und die dort lebenden Kinder und Jugendlichen unterliegen der höchsten Geheimhaltungsstufe. Und auch wenn Linus sich so einige Gedanken darüber macht, was ihr erwarten könnte, rechnet er dann doch nicht im entferntesten mit dem, was er in seinem Monat auf der abgelegenen Insel erlebt.

Die Geschichte begleitet den vierzigjährigen, rundlichen, ruhigen, zurückgezogen lebenden Sachbearbeiter Linus Baker und gibt zunächst Einblicke in seinen oft sehr tristen, verregneten Alltag. Er macht seinen Job gut und gewissenhaft, schaut regelmäßig in den Verordnungen und Vorgaben nach, damit er bei seinen Berichten stets ordnungsgemäße Empfehlungen ausspricht. Da es in Linus Leben nicht viel anderes als seine Arbeit gibt, wundert es einen auch nicht wirklich, wie viel Aufmerksamkeit er dieser Tätigkeit schenkt. Im Verlauf des Buches kann man aber zahlreiche Veränderungen an dem Sachbearbeiter wahrnehmen, die mir gut gefallen haben. Vor allem weil viele davon eher schleichend kommen und er sie selbst manchmal noch viel später bemerkt, als sein Umfeld, er sich dann wundert und manchmal auch etwas dagegen sperrt, er schlussendlich aber einsieht, dass es so, wie es sich dann entwickelt hat, eigentlich viel angenehmer und erfreulicher ist. Es fällt Linus schwer sich von den Vorschriften und Regeln ein wenig zu lösen und zuzulassen, dass manches eben nicht in vorgegebene Schubladen gepresst werden kann und auch nicht sollte. Er kannte bisher nichts anderes, aber das, was er in Mr. Parnassus‘ Heim erlebt, verändert seinen Blick auf die Welt, seinen Blick auf die Waisenhäuser und auch seinen Blick auf sich selbst.

Sehr im Kontrast zu dem zurückhaltenden, wenig humorvollen, gewissenhaften, manchmal etwas steifen Linus steht die Schar der Kinder und Jugendlichen, die in dem Heim leben, das der Sachbearbeiter überprüfen soll. Und auch der Heimleiter ist ganz anders, als Linus. Arthur Parnassus ist ein sympathischer, aufmerksamer, (im Normalfall) beherrschter Leiter, der sehr freundlich, offen und respektvoll mit seinen Schützlingen umgeht und ihnen sehr viele wichtige Werte mitgibt. Ihm ist es wichtig, dass die Kinder Erfahrungen sammeln und sich ausprobieren können – in einem gewissen Rahmen, denn manche Regeln müssen eben schon eingehalten werden. Dennoch möchte er ihnen nicht von vornherein alles verbieten. Sie sollen Dinge auch auf ihr Weise erleben, entdecken und erkennen dürfen.
Respekt, Toleranz und Zusammenhalt wird groß geschrieben und das machte unter anderem für mich die Atmosphäre beim Lesen irgendwie besonders. Es ist einfach wahnsinnig toll zu erleben, wie die unterschiedlichen magischen Wesen miteinander agieren. Sie sind alle sehr verschieden, gehören auch unterschiedlichen Spezies an und haben damit alle andere Fähigkeiten, von denen man nach und nach erfährt. Doch egal wie andersartig und unterschiedlich sie sind, so sind sie doch einfach sehr harmonisch miteinander verbunden. Gerade weil sie so verschieden sind, bringt das natürlich auch Herausforderungen mit sich, aber sie gehen gut aufeinander ein, unterstützen sich, akzeptieren, dass sie alle verschieden sind, ohne dass irgendwie zu kritisieren. Nehmen manche Charakterzüge auch einfach hin, bemühen sich aber gleichzeitig auch Stärken herauszukitzeln und bei Lernprozessen hilfreich zu sein. Sie bestärken sich in ihren Hoffnungen und Wünschen.
Immer wieder wird aber auch deutlich, dass einige von ihnen schon manches Schlimme hinter sich haben, was sie stark geprägt hat. Die Schäden, die dort entstanden sind, werden thematisiert, sind aber sehr fließend in den allgemeinen Handlungsverlauf eingebunden. So kann man auch bei den Kindern mit der Zeit Entwicklungen wahrnehmen und feststellen, dass sie beginnen das eine oder andere Trauma zu überwinden.

Das Setting hat mir ebenfalls gut gefallen. Die abgelegene Insel bietet eine tolle Atmosphäre, auch wenn die Auswahl des Ortes wohl eher aus einem anderen Grund erfolgte. Durch die detaillierten, anschaulichen Beschreibungen konnte man sich die Umgebung gut vorstellen. Auch die unterschiedlichen Figuren waren sehr schön beschrieben, so dass ich eine gute Vorstellung davon hatte, wie sie aussehen und wie sie sind.

Der Schreibstil passte für mich einfach total gut. Die Geschichte ist größtenteils ruhig, es gibt nicht ständig irgendwelche spektakulären Wendungen, Turbulenzen oder dramatische Action. Das brauchte es für mich aber auch gar nicht. Zwischendurch werden Dinge aufgedeckt und offenbart, die kleinere Wendungen mit sich bringen, vor allem aber auch viele neue Gedankenansätze, besonders bei Linus, der allgemein wahnsinnig viel zu durchdenken und zu verarbeiten hat.
Die Handlung hat mich durch die herzerwärmenden, fantasievollen, berührenden Szenen und die wundervolle Botschaften begeistert.
Es geht um Vorurteile und den Abbau von diesen, das Blicken hinter Mauern und das Fallenlassen von Mauern, Verständnis, Akzeptanz, Toleranz, Freundschaft, Zusammenhalt. Im Buch ist so viel Wärme enthalten, dass es einfach guttut. Gleichzeitig gibt es aber auch bewegende Momente und Augenblicke, die betroffen und nachdenklich machen, nicht nur den Protagonisten. Manche Passagen sind einfach zuckersüß, andere eher erschütternd oder wütend machend. Zeitweise wirkt der Schreibstil fast poetisch, ich empfand das aber als total passend für die Situationen und die Entwicklungen. Immer wieder gibt es auch Augenblicke zum Schmunzeln, insgesamt ist der Humor oft aber eher unterschwellig. Alle diese Elemente fließen wundervoll ineinander und ergeben einen Stil, der mich durchweg gut mitgenommen, gefesselt und begeistert hat.

Fazit

Ein wundervolles Buch, das für mich zu den bisherigen Jahreshighlights gehört. Ruhig und unaufgeregt erzählt, mit so viel Herzwärme, fantasievollen Ideen, berührenden Botschaften, wichtigen Wertvorstellungen, einer gewissen Portion Humor und nachvollziehbar geschilderten, toll zu verfolgenden Entwicklungen der Figuren. Die unterschiedlichen magischen Wesen spielen zwar eine zentrale Rolle im Buch, irgendwie empfand ich den Fokus aber dennoch gar nicht so sehr darauf, sie waren eben einfach, wer sie waren. Für mich war es ganz sicher nicht das letzte Buch des Autoren.


8 Gedanken zu „[gelesen] Mr. Parnassus‘ Heim für magisch Begabte von T. J. Klune“

  1. Hallo liebe Dana 🙂

    Ich bin mir bei T. J. Klune ehrlich gesagt immer etwas unsicher, was die Reihenfolge anbelangt. Bislang kenne ich keines der Bücher – gibt es hier eine Reihenfolge, an die ich mich am besten halte? Oder kann ich „Mr. Parnassus‘ Heim für magisch Begabte“ auch losgelöst von allen anderen Werken lesen? Das Buch hat so viele positive Rezensionen erhalten, dass ich mittlerweile wirklich neugierig bin 😀

    Liebe Grüße
    Lisa von Prettytigers Bücherregal (Blog & Instagram)

    1. Hallo Lisa,
      es war für mich das erste Buch des Autoren, deswegen weiß ich jetzt nicht, ob es einen Zusammenhang zwischen den Büchern gibt. Ich dachte aber eigentlich, sie sind alle unabhängig voneinander zu lesen. Ich hatte jetzt zumindest nicht das GEfühl, mir würde was fehlen, ob es in den anderen Büchern dann aber Querverweise oder so etwas gibt, weiß ich nicht.
      Liebe Grüße,
      Dana

      1. Hallo ihr beiden

        Da kann ich vielleicht kurz Abhilfe schaffen, da ich fast alle Bücher des Autors gelesen habe: Die Bücher sind alles eigenständige Geschichte, die in sich abgeschlossen sind und sich unabhängig voneinander lesen lassen. Man kann sie also so lesen, wie man möchte, da alle mit komplett unterschiedlichen Charakteren an komplett unterschiedlichen Schauplätzen spielen. Nur die deutschen Cover sehen halt sehr ähnlich aus, aber der Inhalt ist es nicht. 😀

        Liebe Grüsse
        Mel

        1. Hallo Mel,
          vielen Dank, da ist uns doch dann auf jeden Fall mit geholfen und wir können einfach ganz frei nach Lust und Laune oder eben Verfügbarkeit entscheiden, was wir lesen. 🙂
          Liebe Grüße,
          Dana

  2. Guten Morgen Dana,

    es freut mich, dass die Geschichte für dich auch so super funktioniert hat. Das bestätigt mich noch mehr darin, dass ich es auch irgendwann mal lesen möchte 🙂
    Ja, die Bücher sind alle eigenständig und auch von Querverweisen wüsste ich jetzt nichts, obwohl ich bisher nur Das unglaubliche Leben des Wallace Price gelesen habe.

    Liebe Grüße,
    Steffi vom Lesezauber

    1. Hallo Steffi,
      ich war auch „glücklich“, dass das Buch für mich so gut funktioniert hat. Man geht ja doch mit gewissen Erwartungen dran, wenn man rundrum schon viel gehört hat davon. Aber der tolle Stil hat mich einfach gefangen genommen 🙂 Da freu ich mich auf jeden Fall auch auf weitere Geschichten.
      Mel hatte hier auch gesagt, dass die Bücher unabhängig voneinander sind. 🙂
      Liebe Grüße,
      Dana

  3. Hallo Dana

    Jetzt verfasse ich noch einen separaten Kommentar, weil ich natürlich auch noch was zu deiner Rezension schreiben möchte. Das Buch war damals eines meiner Jahreshighlights und hat sich zu einem meiner Lieblingsgeschichten gemausert. ♥
    Deiner Rezension entnehme ich, dass es dir ganz ähnlich ergangen ist, wie mir, gerade deine Beschreibung von den Charakteren und wie sie dich begeistert haben, könnte genauso von mir stammen. Das war auch eines meiner grossen Pluspunkte des Buches und ich habe jeden einzelnen Charakter in mein Herz geschlossen – zuletzt sogar Linus 😀

    Und wie ich jetzt zum Schluss deinem Fazit entnehmen kann, war das Buch auch eines deiner Jahreshighlights – sehr schön! Das kann ich total nachvollziehen. 🙂

    Liebe Grüsse
    Mel

    1. Hallo Mel,
      ja, das Buch hat mich mit jeder Seite mehr gefangen genommen. Es ist ja gar nicht übermäßig temporeich und auch nicht voller turbulenter Wendungen usw., aber es lebt einfach von der tollen Kombination aus Charakteren, Gesprächen, Entwicklungen, der besonderen Atmosphäre und so. Da ich im Vorfeld schon so viel Gutes gehört hatte, hätte es auch schiefgehen können, weil man dann natürlich gewisse Erwartungen hat, aber es hat dann zum Glück doch richtig gut für mich funktioniert. Ich freue mich schon sehr auf das nächste Buch! Der Schreibstil war einfach toll und bei den ganzen kreativen Ideen, die schon in dem Buch steckten, kann man sich wohl auch auf das nächste freuen.
      Und du hast Recht, auch Linus hat sich gemacht. Ich fand es toll zu sehen, wie sich seine Einstellungen gewandelt haben.
      Liebe Grüße,
      Dana

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