[gelesen] Unsichtbar von Eloy Moreno

Rezensionsexemplar

© Fischer

Unsichtbar .

Eloy Moreno
erschienen im März 2023
336 Seiten
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Fischer Sauerländer

Was hättest du getan?

Anfangs fand ich die Erwählweise ungewöhnungsbedürftig, zum einem aufgrund der wechselnden Erzählperspektiven, aber auch aufgrund der Handlung, die quasi hinten anfängt.

Da ist ein Junge, der nach einem Unfall (was passiert ist, erfährt man erst ganz zum Schluss des Buches) im Krankenhaus liegt. Er wird von Freunden besucht, die eine Weile nicht mehr wirklich seine Freunde waren. Seine Familie ist bei ihm. Und mit einer Psychologin soll er reden. Diese weiß, dass er nicht verrückt ist, aber dennoch klingt er anfangs ziemlich verrückt, als er erzählt, er sei mit einem Drachen geflogen, hätte Superkräfte entwickelt, könne ewig lang die Luft anhalten und sich unsichtbar machen… Man beginnt schon zu ahnen, was der Junge alles durchmachen musste. Und dann wird halbwegs chronologisch erzählt, was passiert ist, bis er in diesem Krankenhausbett gelandet ist…

Einige Passagen des Jungen schildert dieser selbst aus der Ich-Perspektive. Es gibt aber auch Abschnitte über ihn aus der Sicht eines allwissenden Erzählers, der abwechselnd auch andere Figuren in den Blick nimmt und dabei immer wieder vorausschauende Andeutungen (zu dem Zeitpunkt wusste er noch nicht…) macht.

Der Junge – unser Protagonist – bleibt namenlos. Bis zum Schluss. Es könnte jede/r sein, überall. An jeder beliebigen Schule oder einem anderen Ort, an dem Monster herumlaufen.
Die meisten anderen Figuren bekommen mit der Zeit Namen, was es etwas einfacher macht, sie auseinanderzuhalten.

Das Thema Mobbing ist sehr eindringlich, intensiv und beklemmend umgesetzt. Bemerkenswert finde ich, wie hier die Perspektive aller irgendwie Beteiligten in den Blick genommen wird und deren Sichtweise dargestellt wird – auch wenn man sie nicht immer verstehen kann.

Den größten Anteil machen die Abschnitte über den Jungen aus. Seine Erlebnisse werden geschildert, seine Ängste und Hilflosigkeit. Er entwickelt Taktiken, den Mobbern auszuweichen und flüchtet schließlich ein Stück weit aus der Realität. Durch die hierbei verwendete Bildsprache hat die Geschichte eine ganz leichte übernatürliche Note, ohne tatsächliche Fantasyelemente zu enthalten.

Es gibt die Perspektive von zwei Freunden, KlassenkameradInnen, die aus Angst wegsehen. Sie erleben aufgrund der Ereignisse ihr eigens Drama. Sind ebenfalls hilflos, aber auf andere Art.

Dann gibt es eine Lehrerin, die Anzeichen erkennt, in der Lehrerschaft aber auf taube Ohren stößt und dennoch zu helfen versucht.

Und die Perspektive des Täters, sein Denken, seine Hintergründe, die versuchen sein Handeln zu erklären und zumindest ein bisschen greifbar machen, was so schwer zu begreifen ist.

„…dabei hat er im Grunde nichts gegen ihn,
er hat ihm nichts getan,
aber er braucht die Schwäche eines anderen,
um seine eigene Stärke zu beweisen…“
(Unsichtbar, Eloy Moreno)

Richtig schlimm ist der Auslöser. Wie sich alles hochschaukelt. Wie immer mehr SchülerInnen wegsehen, je intensiver der Junge drangsaliert wird. Wie blind die Lehrer sich geben (auch sie haben ihre Gründe, richtig, richtig dumme Gründe), während sich während ihres Unterrichts Dramen abspielen.

Was am Ende ein wenig fehlt, ist das, was danach geschah. Wie es für alle weiterging. Welche Konsequenzen sich für Einzelne ergeben. Aber vielleicht wäre das auch einfach eine Geschichte für sich…

Am Schluss soll das Buch – laut anderen Bewertungen – weiterführende Hinweise, Informationen und Anlaufstellen enthalten, was bei so einem ernsten Thema definitiv sinnvoll ist. Mein Vorab-eBook enthält diese Informationen allerdings nicht.

Fazit

Wie beschreibt man, was einen sprachlos macht? Einerseits ist das Buch schwer zu ertragen und andererseits schwer aus der Hand zu legen, nachdem man sich erst mal in die ungewöhnliche Erzählweise eingefunden hat.
Das Thema Mobbing wird sehr vielschichtig, berührend aber doch schonungslos brutal dargestellt. Es ist ein Buch das nachdenklich und betroffen macht – die eindringliche Ermahnung, niemals wegzusehen schwingt durchweg mit – und für mich auch das Potential hat, Schullektüre zu werden.

Ich danke dem Verlag für das bereitgestellte Rezensionsexemplar.

4 Gedanken zu „[gelesen] Unsichtbar von Eloy Moreno“

  1. Huhu Anja,

    das Buch hatte ich bisher kaum im Blick. Was du darüber schreibst, macht mich aber total neugierig. Es klingt tiefgreifend und emotional sowie realistisch dargestellt. Mir gefällt insbesondere das Detail, dass der Protagonist keinen Namen erhält und somit der Effekt entsteht, dass es jeder sein könnte.

    Kommt definitiv auf meine Wunschliste. =)

    Ganz liebe Grüße
    Leni

    1. Hallo Leni,
      ich habe das Buch auf den ersten Blick auch gar nicht wahrgenommen, weil mich das Cover nicht wirklich angesprochen hat. Es lohnt definitiv ein zweiter Blick. Und tatsächlich wüsste ich gar nicht, wie das Cover hätte aussehen müssen, um zum Buch zu passen und zum Eyecatcher zu werden.
      Viele Grüße
      Anja

  2. Hallo Anja,

    und auch hier schau ich gleich noch schnell vorbei.
    Deine Rezension bringt deine Faszination echt gut rüber und macht eigentlich gleich Lust auf die Geschichte. Aber aktuell sperrt sich da in mir irgeendwas dagegen, aber im Auge behalten werde ich es auf jeden Fall. Also die Idee mit der Schullektüre finde ich sehr gut, da passt das auf jeden Fall hin und viel besser als irgendwelche Klassiker. Und lustiger Weise ist mir das Cover schon gleich aufgefallen, auch wenn ich es nicht klassisch schön finde. Aber meine Neugier geweckt hat es irgendwie schon.

    Liebe Grüße,
    Steffi von Lesezauber

    1. Hallo Steffi,
      klar, die knallige Coverfarbe fällt schon irgendwie ins Auge – ich habe es aber aufgrund desCovers nicht als ein Buch wahrgenommen, das in mein Beuteschema fallen könnte.
      Lieben Gruß
      Anja

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