[gelesen] I’m a nurse. Warum ich meinen Beruf als Krankenschwester liebe -trotz allem von Franziska Böhler

©Heyne
I’m a nurse. Warum ich meinen Beruf als Krankenschwester liebe – trotz allem

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Franziska Böhler
erschienen August 2020
256 Seiten
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Heyne
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intensive Einblicke in den beruflichen Alltag im Krankenhaus in unterschiedlichen Abteilungen

Im Grunde spricht der Buchtitel hier für sich und man muss gar nicht so viel als eigene Inhaltsangabe schreiben. Franziska Böhler ist Krankenschwester auf einer anästhesiologischen Intensivstation und sie liebt ihren Job, mit all der Verantwortung, den Herausforderungen, den schweren und schönen Momenten. Aber es gibt eben auch immer wieder Situationen, die einen zweifeln und verzweifeln lassen, die man mehr mit nach Hause nimmt als andere. Die Veränderungen der Arbeitsbedingungen schlagen sich in verschiedenen Bereichen nieder…
In verschiedenen Fallgeschichten und ergänzt durch Erfahrungsberichte von anderen Berufsgruppen, Patienten und Angehörigen werden im Buch verschiedene Aspekte rund um den Klinikalltag beleuchtet.

Ich bin selbst Krankenschwester im Intensivbereich, klar dass ich das Buch aus einem anderen Blickwinkel betrachte und betrachten kann, als Menschen, die keinen Bezug zu dem Thema haben. Ich bin auch nicht sicher, wie intensiv es wirklich für Lesende wirkt, die selbst nicht im Krankenhaus arbeiten oder gearbeitet haben oder Angehörige haben, die in dem Bereich arbeiten. Man kann sicher trotzdem einige Dinge erfahren, die man nicht wusste, man wird auf Defizite und Probleme aufmerksam gemacht, die einem mit Sicherheit in der Form gar nicht bewusst waren und ich glaube auch, dass einige der Berichte einem wirklich ans Herz gehen können. Allerdings schätze ich trotzdem, wenn man selbst in dem Bereich arbeitet, dann wirkt der Inhalt des Buches noch mal anders, bestimmt auch emotionaler in einem nach.
Derzeit arbeite ich noch auf vier unterschiedlichen Stationen, die dem Intensivbereich zugeordnet werden – einer anästhesiologischen Intensivstation, wie die Autorin, einer internistischen Intensivstation, einer Weaningstation (spezialisiert auf die Entwöhnung von der Beatmung) und einer IMC/Wachstation. So habe ich mich in vielen der von der Autorin beschriebenen Situationen selbst wiedergefunden, habe verstanden von welchen Geräten sie spricht, was hinter den teilweise nur kurz angerissenen Problemen wirklich steckt, wie viel Arbeit und Adrenalin hinter angeschnittenen Notfällen steckt und so weiter. Immer wieder wird aufgezeigt, wo Probleme im System sind, wieso es so fatal ist, dass der Fachkräftemangel zunimmt, wieso es so wichtig ist, Personaluntergrenzen zu haben, die eingehalten werden – und das übrigens nicht nur im Intensivbereich, sondern auch überall sonst-, und was eben alles verloren geht oder auf der Strecke bleibt, wenn die Aufgaben, für die man zuständig sind, immer mehr werden, die Zeit dafür aber einfach nicht ausreicht. Manchmal würde es vermutlich schon helfen, wenn man sich einfach in die Patienten oder Angehörigen hineinversetzt und sich fragt: würde ich das so für mich wollen?
Nun ist es natürlich so, dass sich in den letzten Jahrzehnten an den Arbeitsbedingungen und den Arbeitsmitteln in den Kliniken wirklich viel getan hat. Wenn wir 30-40 Jahre zurück schauen, war vieles noch beschwerlicher, komplizierter und umständlicher. Dahingegen geht es uns nun mit den Mitteln, Medikamenten und Möglichkeiten natürlich besser. Aber es gibt eben auch mehr Technik, die bedient werden will, teilweise mehr Betten, die betreut werden müssen und und und. Ich möchte gar nicht sagen, dass alles schlecht ist, auf keinen Fall, denn ich liebe meinen Job ebenfalls, ansonsten hätte ich ihn vermutlich wie viele andere an den Nagel gehängt. Dennoch wünscht man sich manchmal eben einfach Verbesserungen, nicht nur für sich und den eigenen Stress, sondern auch damit man sich intensiver um die Patienten und Angehörigen kümmern kann, die das verdient hätten. Aber ich schweife ab. All diese Dinge sind auf jeden Fall auch Inhalt im Buch.

Innerhalb des Buches werden verschiedene Bereiche des Krankenhausalltages beleuchtet, nicht nur Aspekte, die die Autorin selbst betreffen. Es geht auch um das Thema Geburtshilfe, Kinderstationen und die Versorgung am Lebensende, unter anderem auch auf Palliativstationen oder in Hospizen. So gibt es eine Gliederung im Buch, die einen vom Beginn des Lebens bis zum Ende führt. Innerhalb der großen Kapitel gibt es dann noch mal verschiedene Unterthemen, die beleuchtet werden. Schön fand ich auch, dass es immer wieder Erfahrungsberichte von anderen Menschen gibt, die eingeflochten sind. So kommen zum Beispiel auch Hebammen, Ärzte, andere Pflegekräfte und Angehörige zu Wort, die von ihren Erlebnissen berichten. Damit bekommt man einen noch umfangreicheren Überblick zu den einzelnen Themen und mir sind viele der Erfahrungsberichte wirklich unter die Haut gegangen-  auf die eine oder andere Weise.
Viele Passagen sind informativ, in anderen wird es eher emotional. Teilweise war es wirklich erschütternd und bedrückend und das nicht nur weil die Dinge, die geschildert werden so aufwühlend sind und man sich kaum vorstellen mag, wie das ist, sondern auch weil man sich stellenweise direkt in die Situation hineinversetzen kann, weil man es auch erlebt hat, weil man auch schon mal so gefühlt oder gedacht hat. Oder weil einem ganz ähnliche Erlebnisse in Erinnerung geblieben sind, weil man sich einfühlen kann in das, was zum Beispiel auch im letzten Abschnitt rund um die Sterbebegleitung geschrieben wird. Ob das alles auch auf einen Außenstehenden so wirken würde? Vermutlich nicht, was aber nicht heißt, dass es nicht trotzdem anders intensiv wirken könnte.
Ich konnte das Buch nicht komplett am Stück lesen, ich brauchte zwischendurch Pausen, auch weil ich nicht immer nach der Arbeit in der Stimmung war, wieder in Klinikalltag einzutauchen. Den Schreibstil empfand ich aber insgesamt als angenehm, trotz all der ernsten und teilweise bedrückenden Themen und auch wenn ich das eine oder andere ein wenig wiederholend fand. Franziska Böhler zeigt aber auch einige der Sonnenseiten des Berufes und warum es ihr eben trotzdem eine Herzensangelegenheit ist, ihn weiter auszuüben. Selbst wenn nicht all die Hoffnungen und Vorstellungen, die man hatte, als man in den Job eingetreten ist, erfüllt wurden, so kann es dennoch ein sehr erfüllender Beruf oder eine Berufung sein.

Fazit

Für mich war es stellenweise ein sehr intensives Buch, andere Passagen waren eher informativ und nicht ganz so emotionsbehaftet. Ich schätze jedoch, das wird sehr darauf ankommen, wie die Erfahrungen und das Wissen des jeweils Lesenden sind. Ich konnte mich in vielen Situationen und Gedanken wiederfinden. Es ist nicht immer leicht, manche Dinge sollten sich dringend ändern, damit das System nicht irgendwann kippt und doch gibt es eben auch viele schöne und erfüllende Momente. Denn auch ich liebe meinen Job als Krankenschwester – trotz allem.


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