[gelesen] Martina Bauer – Nulllinie

  Nulllinie
Autor: Martina Bauer

erschienen Dezember 2012
Verlag: EditionZ/Twinmedia

Wenn ein beruflicher Neuanfang zur Lebensgefahr wird…

 

Technische Neuerungen gibt es immer wieder und in den verschiedensten Bereichen. Modernere Computer, verbesserte Software, intelligente Autos, hilfreiche Küchengeräte, multifunktionale Handys und und und… Einige Erfindungen sind wirklich nützlich oder eine echte Erleichterung, andere Errungenschaften sind eher eine Spielerei und man würde auch ohne sie gut auskommen. Doch wie intensiv denkt man darüber nach, dass Technik auch gefährlich sein kann?

Die Firma PRO-MIND ist spezialisiert auf medizinische Überwachungssysteme und forscht an einem Chip, der lebensbedrohliche Veränderungen der Vitalwerte weiterleitet, um die betroffenen Personen schnellstmöglich zu retten und zu versorgen. Eine hilfreiche, tolle Sache? Das könnte man denken, solange man nicht weiß, was mit diesem Sender noch alles möglich ist. Im Untergrund der Firma laufen geheime Forschungen mit sensationellen Entdeckungen, die mit allen Mitteln geschützt werden sollen. Wer sich zu sehr einmischt, hat schlechte Karten. Ellen Groß gerät bei ihrem Versuch, sich ein neues Leben aufzubauen, zwischen die Fronten und bringt sich damit in ungeahnte Gefahr.

Ellen war mir von Beginn an sehr sympathisch. Nach einer gescheiterten Beziehung wagt sie einen Neuanfang – neuer Job, neue Stadt, neue Freunde. Ellen sagt gern, was sie denkt, auch wenn das bei ihrem Gegenüber nicht immer gut ankommt. Mit ihren ironischen und sarkastischen Sprüchen und Gedanken lockert sie viele Situationen auf und hat mich häufiger zum Schmunzeln gebracht. Sie ist clever und neugierig, kombiniert gut und fragt geschickt nach Dingen, die sie interessieren. Diese Charakterzüge gefallen mir als Leser gut, für sie selbst werden sie leider zu gefährlichen Eigenschaften, die ihr Leben ganz schön auf den Kopf stellen.

Im Verlauf des Buches lernt man viele unterschiedliche Personen kennen. Von den meisten bekommt man nur ein grobes Bild vermittelt, das jedoch ausreicht, um ihre Stellung und Rolle einzuschätzen. Die Mischung ist insgesamt sehr ansprechend, da die Charaktere sehr unterschiedlich sind und es auch immer wieder kleine Überraschungen gibt. Besonders interessant fand ich neben Ellen den Tankwart Stefan. Während er zu Beginn der Geschichte eher ein bisschen aufdringlich und plump wirkt, entwickelt er sich im Verlauf zu einem netten Kerl, der ungeahnte Talente hat.

Der Schreibstil hat mir sehr gut gefallen. Das Buch lässt sich flüssig und ohne Verständnisprobleme lesen.

Macht, Geldgier, Verschwörungen und die Faszination für die Forschungsergebnisse dominieren das Geschehen. Es werden immer wieder neue Probleme aufgeworfen, die dazu führen, dass auch die eigentlich Guten zum Opfer des durchdachten Systems werden.

Eine besondere Dynamik bringen die Perspektiv- und Zeitwechsel innerhalb der Geschichte. Immer wieder gibt es kleine Rückblenden, die die Zusammenhänge und Anfänge des geheimen Projektes näher beleuchten. So kann man die Entwicklung und Gefahr mit der Zeit besser verstehen und einschätzen. Zur Orientierung gibt es Kapitelüberschriften, die anzeigen, welches Datum ist und aus der Sicht welcher Person die Passage geschrieben ist. Dadurch entsteht ein sehr komplexer Blick auf die Handlung sowie die Gedanken und Gefühle der Charaktere.

Als faszinierend und erschreckend empfand ich den Aufbau von Minstadt. Was einst als Arbeiterdorf begann, hat sich zu einer kleinen Stadt entwickelt, die komplett von PRO-MIND kontrolliert wird. Bäcker, Cafés, Restaurants und sogar der Supermarkt gehören zum Firmenkomplex und stehen damit unter ständiger Überwachung. Auch wenn es den Beschäftigten viele Vorteile bietet, ist eine freie Entfaltung nicht mehr wirklich möglich. Ich würde das Leben unter solchen Umständen schon etwas unbehaglich finden. Für die Geschichte passt diese Konstellation allerdings sehr gut und hat die verzwickte Situation noch verschärft.

Die Handlung ist sehr spannend gestaltet und wird, besonders gegen Ende des Buches, temporeich vorangetrieben. Plötzliche Wendungen und unerwartete Charakterentwicklungen sorgen immer wieder für Überraschungsmomente. Etwas schade fand ich dann allerdings das schnelle Ende, von dem ich mir persönlich etwas mehr versprochen hätte. Als es grad so richtig interessant und brenzlig wurde, war plötzlich auch schon alles vorbei.

Ein spannender Thriller, mit sympathischen Charakteren, der den Leser anregt, auch mal über die als selbstverständlich genommene Technik im Alltag nachzudenken. Martina Bauer entwirft ein interessantes Szenario, dessen Komplexität sich dem Leser erst nach und nach offenbart. Einziger Kritikpunkt ist das zu sehr geraffte Ende.

Ich danke dem Verlag für das bereitgestellte Rezensionsexemplar.

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