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unheimliche Atmosphäre in den Bergen
Jakobsleiter ist ein einsamer Ort in den Bergen, der von den Stadtmenschen kritisch beäugt wird. Die Leute, die dort in völliger Abgeschiedenheit der modernen Welt leben, werden als seltsam und sonderbar empfunden. Man geht ihnen aus dem Weg, soweit man kann. So gut wie niemand verirrt sich so weit hoch in die Berge, um sich Jakobsleiter selbst anzuschauen. Und wenn sich die Bewohner der abgelegenen Gemeinde in die Stadt trauen, müssen sie mit schiefen Blicken und Anfeindungen rechnen. Als das Misstrauen gegenüber Jakobsleiter größer wird, wird der Sechzehnjährige Jesse sogar brutal angegriffen. Von seiner Sorge um die verschwundene Rebekka will von den Stadtmenschen auch niemand so richtig etwas wissen. Schließlich ist es kein Wunder, wenn man aus dieser seltsamen Bergregion entfliehen möchte. Allerdings verschwinden in der Gegend immer wieder junge Frauen. Ein Zufall?
Auch Smilla, die aktuell ein Volontariat bei der Zeitung macht, hat ihre Verbindung mit den Bergen, denn vor 10 Jahren verschwand ihre beste Freundin Juli. Sie versucht weiter Spuren zu finden und ungewöhnlichen Ereignissen miteinander zu verknüpfen. Bei ihren Recherchen stößt Smilla dann auch auf etwas, was bisher unter den Teppich gekehrt wurde. Eine bewusste Entscheidung oder ist es in Vergessenheit geraten? Ihre Entdeckung könnte alles ändern und bringt düstere Dinge ans Tageslicht.
Das Buch beginnt mit einem spannenden Prolog, der gleichzeitig einiges an Fragen aufwirft und für eine unheimliche Atmosphäre sorgt. Was es damit auf sich hat, erfährt man dann im Verlauf der Handlung. Und auch wenn man es dann nicht das erste Mal erlebt, verliert es nichts von seinem Schrecken. Es ist jedoch nicht durchweg so furchterregend und bedrohlich. Das Buch lebt eher von einer unterschwelligen Spannung und nicht von blutiger Brutalität. Ich mochte die erzeugte Atmosphäre und auch die Wechsel in der Stimmung. Immer wieder gab es Situationen, die schon ziemlich unheimlich waren und eine Gänsehaut erzeugten. Besonders zum Ende hin wird es dann auch noch mal etwas turbulenter und dramatischer.
Die Geschichte wird aus verschiedenen Ich-Perspektiven geschildert. Zu Beginn der Kapitel steht der Name der Figur, die man begleiten wird, so dass man sich gut orientieren kann. Zunächst hatte ich befürchtet, dass es vielleicht etwas viel werden könnte, mit den Perspektiven, aber insgesamt mochte ich das Zusammenspiel und den Wechsel zwischen den einzelnen Charakteren sehr gern. Man bekommt einen guten Blick auf die Handlungsstränge, die alle in gewisser Weise miteinander zu tun haben. Am meisten begleitet man den Jugendlichen Jesse und die Neunjährige Edith, die beide in der kleinen Gemeinschaft Jakobsleiter auf dem Berg leben. Darüber hinaus gibt es Passagen mit Rebekka, Mitschülerin und Freundin von Jesse, ebenfalls aus Jakobsleiter, und dem Priester der Dorfgemeinschaft, bei dem schnell klar wird, dass er seine ganz eigenen Absichten verfolgt. Zwischendurch erhält man dann noch Einblicke in das Leben von Smilla, die nicht auf dem Berg wohnt und die eine ganz andere Motivation antreibt, sich mit dem Ort auseinanderzusetzen. Smilla hat in der Handlung einiges vorangetrieben durch ihre hartnäckigen Recherchen, zwischendurch bekommt man jedoch auch das Gefühl, sie könnte sich in dem einen oder anderen Punkt verrennen, nur um ihr Hoffnung aufrechtzuerhalten, Juli nach all den Jahren wiederzufinden.
Der Schreibstil ist flüssig, mitnehmend und atmosphärisch. An die Perspektivwechsel habe ich mich schnell gewöhnt und es war auch immer wieder interessant, die unterschiedlichen Charaktere zu begleiten, weil man neben der allgemeinen Handlung auch von ihren Eigenarten noch was mitbekommt. Besonders faszinierend fand ich Edith. Sie ist noch sehr jung, wirkt etwas verwildert und hat einen außergewöhnlichen Blick auf die Welt, der ohne Zweifel durch ihre Erziehung und ihre Lebensweise geprägt ist. Und obwohl manches wirklich etwas schräg anmutet, gab es auch Gedankengänge von ihr, die ich wirklich sehr beeindruckend fand. Aber auch Jesse habe ich sehr gern begleitet. Obwohl auch er in Jakobsleiter aufgewachsen ist, wirkt er nicht so fernab der Zivilisation wie Edith. Trotzdem gibt es immer wieder Dinge, die er nicht weiß oder nicht kennt, weil es in seiner Berggemeinschaft keine Relevanz hat. Für Jesse ändert sich vieles durch die Offenbarungen, die es im Verlauf gibt. Sein sicherer Hafen wird ziemlich aufgerüttelt, er muss manches verarbeiten und ich konnte gut verstehen, dass er auch nicht alles sofort glauben und begreifen konnte.
Jede Perspektive hat ihre eigenen Schwerpunkte und erzeugt damit auch eine unterschiedliche Stimmung innerhalb der Gesamthandlung. Alles hat jedoch miteinander zu tun und auch Smillas Perspektive vermischt sich immer mehr mit denen der anderen.
Stück für Stück wird die Handlung komplexer und man erhält weitere Puzzleteile, die sich ins Gesamtbild einfügen. Dabei gibt es immer wieder auch Wendungen und kleine Überraschungen, die für eine neue Dynamik innerhalb der Geschichte sorgen. Andere Dinge kündigen sich über die Zeit recht deutlich an und haben mich dann weniger überrascht. So war auch eine der „Enthüllungen“ am Ende nicht mehr wirklich überraschend, obwohl es mit der Verwirrung die darum gestiftet wird, trotzdem gut gemacht war.
Fazit
Ein atmosphärischer, mitnehmender Thriller, der eher durch die unterschwellige Spannung, die Andeutungen und Verflechtungen im Verlauf der Geschichte punktet und nicht so sehr mit Brutalität oder blutigen Szenen. Es gibt aber immer wieder auch Passagen, die Gänsehaut verursachen und eine unheimliche Atmosphäre nachklingen lassen. Besonders durch die neunjährige Edith schwingt auch eine poetische Note mit, wenn es manchmal auch etwas schräg anmuten mag. Nicht alle Offenbarungen kamen überraschend, insgesamt fühlte ich mich aber wirklich gut mitgenommen und unterhalten.
Schönen guten Morgen Dana!
Jetzt hast du dich also auch in die Berge aufgemacht 😀 Freut mich, dass dich die Atmosphäre hier auch so mitnehmen konnte. Die hat mich ja sehr fasziniert!
Vor allem auch die Charaktere. Da jeder von ihnen auch so geschrieben war, dass er seine ganz eigene Persönlichkeit ausgedrückt hat, das war sehr faszinierend. Edith war wirklich etwas „schräg“, was aber auch nicht verwundert. Sie war schon sehr besonders!
Mich hat die Auflösung tatsächlich überrascht. Ich steh bei sowas oft auf der Leitung und hab keine Ahnung *lach* Was ja an sich sehr gut ist, weil es mich dann kalt erwischt. Ich hätte es mir am Ende etwas anders gewünscht, aber es passte auf jeden Fall stimmig zur Geschichte insgesamt.
Liebste Grüße, Aleshanee
Hey Alex,
ich hab das Buch ja schon Ende April gelesen, bin aber irgendwie nicht dazu gekommen, meine Rezension dann fertig zu machen. Ich habe es auf jeden Fall nicht bereut, dass ich euren „Empfehlungen“ gefolgt bin. 🙂
Edith war schon sehr speziell, aber auch total interessant und ungewöhnlich. Hatte ich in der Form auch noch nicht so.
Ich fand, man hat durch das seltsame Verhalten zwischendurch schon gemerkt, dass er da mit drin hängen muss. Die Aussagen passten einfach nicht zusammen. Obwohl ich die Verwirrung am Ende echt gut gemacht fand, weil ich dachte, meine Vermutung wird doch noch mal widerlegt oder es hängen mehr mit drin oder so. 😉 Mich hat eher der Hintergrund des Bergdorfes überrascht.
Liebe Grüße,
Dana
Da bin ich dann tatsächlich oft froh, dass ich kleine Widersprüche gar nicht bemerke und dadurch öfter mal überrascht werde. Ich hab schon öfter in dem Genre gelesen, dass andere schneller auf die „Lösung“ kamen, während ich bis zum Ende rätseln musste 🙂
Der Hintergrund des Bergdorfes hat mich auch überrascht, aber da er mir nicht so gefallen hat, hat das diesen Aha-Effekt wahrscheinlich etwas gebremst.
Man hat dann auf jeden Fall länger was vom Miträtseln, wenn man manches vielleicht nicht direkt bemerkt 😉 Kann ja durchaus auch positiv sein. Ich lasse mich in so Büchern ja auch gern an der Nase rumführen und in die Irre treiben, weil man dann einfach tolle Überraschungsmomente erzeugen kann. Es geht aber auch ohne, wenn der Rest passt und eben einfach spannend und mitnehmend ist.
Was hätte dir als Hintergrund für das Bergdorf denn besser gefallen?
Hallo Dana,
das freut mich, dass du das Buch auch mochtest. 🙂 Und ich musste schmunzeln, weil meine Rezension dazu ebenfalls gestern erschienen ist. XD Hätte wir das beabsichtigt, dann wäre es niemals was geworden.
Die Atmosphäre und die Beklemmung fand ich ganz, ganz toll von der Autorin umgesetzt. Ich hoffe sehr, dass bald wieder etwas von ihr erscheint.
Liebe Grüße
Nicole
Hallo Nicole,
oh, das ist ja wirklich ein Zufall 😀 Ich schätze auch, das hätte man so nicht geplant bekommen 😉 Ich habe das Buch ja auch schon Ende April gelesen, bin aber nicht dazu gekommen, die Rezi dann so richtig fertig zu machen. Daher hätte ich mich auch gar nicht auf ein Datum festlegen lassen wollen, wann sie online geht 😉
Wenn von der Autorin was Neues kommt, werde ich es also bei dir sehen, das ist ja schon mal gut zu wissen. Mir entgeht sowas gern mal 😉 Ich schaue in deine Rezi auf jeden Fall auch noch rein in den nächsten Tagen.
Liebe Grüße,
Dana
Hallo Dana 🙂
Oh das Buch hört sich richtig spannend an und hatte es bisher gar nicht auf dem Schirm. Aber du hast mich gerade sehr neugierig gemacht und ich habe das Buch direkt auf meine WULI gesetzt. Vielleicht zieht es ja bald bei mir ein 🙂
Vielen lieben Dank für deine Buchvorstellung.
Liebe Grüße
Teresa
Hallo Teresa,
es freut mich, dass ich dich neugierig machen konnte 🙂 Mich haben auch andere Blogger auf das Buch neugierig gemacht 😉 Und dann war ich natürlich „froh“, dass es mir dann nach dem Lesen auch gefallen hat. Geschmack ist natürlich einfahc verschieden und nicht jedem gefallen die gleichen Geschichten dann auch gleich gut.
Ich bin gespannt, ob du es lesen wirst und wie es dir dann gefällt.
Liebe Grüße,
Dana